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Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-27 001.jpg

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Anscheinend sind sie an Regensburg vorbeigegangen. Auch in Italien haben sie sehr erhebliche Fortschritte gemacht, die Abdrängung unseres ganzen rechten Flügels in den Winkel südl. der Schweiz ist bald Tatsache.

     Heute baut uns ein Soldat einen Kochofen in der Waschküche. Deutschmann hat uns die eiserne Platte u. die sonstigen Zubehörteile beschafft, natürlich altes Material, doch ist es noch brauchbar. Nur fehlen uns leider noch die Ringe für die Kochlöcher.

     Der Vortrag gestern abend war für mich sehr schwer. Es handelte sich um die Bergpredigt u. ich mußte mich sehr anstrengen, den Hörern die Sache nahe zu bringen. Es scheint mir aber wenigstens so weit gelungen zu sein, daß alle begriffen haben, daß es sich hier nicht um irgend eine neue Ethik handelt, nach der man leben kann, wenn man Lust dazu hat, sondern daß da Dinge gefordert werden, die zu tun dem Menschen aus eigener Kraft unmöglich sind. Jedenfalls sagte Herr Dr. Hahn nachher, er hätte die Bergpredigt in der Schule „gelernt“ u. er habe niemals bemerkt, daß daran irgendetwas schwierig wäre; nun aber habe er so viel gesehen, daß die Bergpredigt vielleicht das Schwierigste in der ganzen hl. Schrift sei. Darüber habe ich mich sehr gefreut. –

     In der Nacht waren wieder viele Flieger in der Luft. Heute ist es draußen trübe, von Zeit zu Zeit hört man in der Ferne Kanonendonner. Die Front rückt näher, die Russen greifen aus ihren Oderbrückenköpfen südlich Stettin an.

Freitag, 27. April 1945.     

     Gestern erschien ganz überraschend Traugott Wendt, der Sohn von Karl-Ernst Wendt, Pfarrer in Blumberg, Martha's Vetter. Er ist ein hoch aufgeschossener, junger Mensch von 20 Jahren, etwas verhungert wie die meisten Menschen heute in Deutschland, aber mit einem ganz reinen u. unverdorbenen Jungens-Gesicht. Er ist Unteroffizier u. Offiziersanwärter u. ist eben jetzt von seinem Ersatz-Truppenteil bei Wismar in Marsch gesetzt worden zum Regiment in Windau. Es ist kaum zu glauben, daß man jetzt noch Leute nach Kurland schickt, – aber es ist so. Er war auf dem Marsch durch Ribnitz u. machte den Abstecher zu uns. Er blieb die Nacht über u. ging heute früh um 5 Uhr wieder nach Wustrow zurück, von wo er mit dem Dampfer nach Ribnitz fuhr, um von dort vielleicht Swinemünde zu erreichen, von wo dann vielleicht noch ein Schiff nach Kurland auslaufen mag. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, denn heute früh hieß es, daß die Russen Stettin genommen haben u. weiter im Vordringen nach Westen sind. Traugott hofft natürlich, daß er nicht mehr nach Kurland kommen wird u. beeilt sich nicht besonders, nach Swinemünde zu kommen. Er erzählte, daß sein Vater Karl-Ernst in Blumberg geblieben ist, während die Mutter auf Rügen untergekommen ist. Blumberg ist inzwischen in russischer Hand. –

     Unser Ofen in der Waschküche ist heute morgen fertig geworden. Wir haben nun auch Ringe für das kleinere Ofenloch bekommen, nur für das größere fehlen sie noch.

     Heute früh hörten wir als Wichtigstes, daß Hermann Göring wegen „Herzkrankheit“ seine Aemter niedergelegt

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Hans Brass: TBHB 1945-04-26. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2024)