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Seite:HansBrassTagebuch 1945-05-02 002.jpg

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Scheibe den letzten Rest gab, sonst aber auch keinen neuen Schaden anrichtete. –

     Das ganze Dorf war natürlich auf der Straße. Ich ging noch zur Dühne, um durch das Glas den Brand des Göring'schen Jagdhauses im Darss zu beobachten, der sich bedrohlich ausgedehnt hatte. Während der Nacht ist er dann aber doch erloschen, da es etwas zu regnen anfing u. das Holz überhaupt feucht war vom Regen der letzten Tage. – Der Brandt'sche Treck kam im Laufe des Abends auch wieder zurück.

     Ich legte mich schließlich halb angezogen schlafen. Man hörte noch lange Detonnationen bis nach Kiel hin u. immer noch Autos, aber sonst ereignete sich nichts mehr. Leider gab es aber auch keinen Strom mehr. Die letzten Nachrichten hatten wir gestern früh zwischen 4 – 6 Uhr, seitdem war es mit dem Strom aus.

Heute früh um 7 Uhr hieß es, daß Russ. Panzer kämen. Bei Reichert-Saatmann stand bereits eine lange Schlange, die sich sofort eiligst verflüchtete. Es kamen dann wieder die drei Helferinnen aus dem Monheimschen Hause, die wir zunächst in der BuStu unterbrachten. Inzwischen hat Martha sie wieder los werden können, da Ilse Schuster-König sich bereit erklärte, sie aufzunehmen. Regina Treffer kam ebenfalls mit einer Kollegin, beide brachten wir im kleinen Hause in der Schneiderei unter. Dann kam Mehlis, dem wir die Kammer im Dach anboten, dazu bekam er den blauen Anzug von mir, den ich bisher noch immer als Sonntagsanzug getragen habe u. abgelegt habe, seitdem ich den neuen Anzug von Frau Mazurek bekam. Mehlis erzählte, daß ein russ. Panzer-Spähwagen in der Nacht bei der Batterie vorgefahren sei u. sich sehr höflich erkundigt hätte, was los sei. Nachdem man ihm gesagt hatte, daß die Batterie gesprengt worden sei, hat er höflich gedankt u. ist wieder Richtung Ribnitz zurückgefahren.

     Die Bevölkerung hat in der Nacht die Essenvorräte der Batterie geplündert. Es soll dabei toll zugegangen sein.

11 Uhr Vorm. Frau Margot Seeberg war hier um mich zu bewegen, mit Herrn Dr. Ziel zusammen den Bürgermstr. Gräff abzusetzen u. die Geschäfte zu übernehmen. Zufällig kam Herr Ziel dazu. Ich hatte die Sache sofort abgelehnt u. Ziel tat dasselbe. So war diese Unterredung nur kurz. Frau Seeberg versuchte, uns noch zu überreden, aber wir sagten beide, daß wir garnicht daran dächten, unaufgefordert irgendetwas derartiges zu tun. Es wäre auch völlig sinnlos, denn Ziel wie ich sind in den Augen der Russen auch nur Bourgois. Der Bürgermeister soll von sich aus sehen, wie er mit den Russen fertig wird, – u. die Russen selbst können dann ja sagen, was sie wollen, – es läßt sich dann immer noch darüber reden. Vor der Hand werde ich mich hüten, auch nur das Allergeringste zu unternehmen, u. wenn etwas Derartiges an mich herantreten sollte, werde ich auch dann nur im äußersten Falle mich zur Verfügung stellen, also nur in dem Falle, wenn ich damit den ganzen Ort vor einer ernsten Gefahr retten kann.

     Sehr freute es mich, daß Ziel fragte, ob heute Abend der Vortrag stattfinden würde. Ich bejahte es, falls nicht höhere Gewalt den Vortrag verhindern sollte.

     Die Russen sind über Ribnitz nach Rostock weiter[1] vorgedrungen, vorläufig interessieren sie sich offenbar garnicht für uns.

     Frau Seeberg war über Nacht in Müggenburg, wo es elektr. Strom gab. Sie hat den hamb. Sender gehört, der bekannt gegeben haben soll, daß Hitler tot sei.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-05-02. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-02_002.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2024)
  1. später stellte sich heraus, daß die Russen von Rostock her in Ribnitz einmarschiert sind.