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Seite:HansBrassTagebuch 1945-05-04 003.jpg

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der Bruder von Frau Garthe, der sich auf des Flucht hier befand, ebenfalls erschossen haben sollen. – In der Nacht scheinen sich noch andre üble Dinge abgespielt zu haben, besonders im Hause Hoffmann, wo die Russen Frauen mißbraucht haben sollen. Heute soll es auch zu Plünderungen in der Pension Charlottenhof von Frau Bertsch gekommen sein. Dieses sowohl wie die Plünderung des Ladens von Reichert geht offenbar zurück auf Anstiftung von Flüchtlingen, die die Russen dazu aufgefordert haben, weil Saatmanns wie auch Frau Bertsch bei diesen Flüchtlingen sehr unbeliebt sind, wohl nicht ganz ohne Grund.

     Mittags um 1 Uhr kam wieder Tross hier durch. Bei all diesen Wagen habe ich bisher noch nicht einen einzigen heereseigenen Wagen gesehen, es sind alles requirierte Bauernwagen, Droschken, Kutschwagen, Jagdwagen usw.

     Nach Tisch schlief ich etwas. Als ich eben aufwachte sah ich zwei Russen von hinten her aus dem Hause kommen. Grete kam rauf u. sagte mir, die beiden Kerle wären einfach ins Zimmer eingedrungen, hätten sich umgesehen u. sich übel benommen. Paul habe sie mit einigen Zigaretten abwimmeln können. Beide Kerle waren auf Fahrrädern, u. trugen Maschinenpistolen, wie fast alle Russen.

     1/2 7 Uhr Abends. Am Nachmittag fingen die Russen an, einzelne Schützenlöcher in der Düne zu bauen, mit je 2 Mann Besatzung. Grade vor uns an der Grenze zwischen Schorn u. uns haben sie sich eingegraben, mit der Front zur See. Was das für einen Sinn hat, ist unerfindlich.

     Es wird gesagt, daß die Engländer in Müritz-Graal seien u. es erhält sich weiter das Gerücht, daß die Russen hier wieder abziehen würden. Die Russen erzählen das offenbar selbst.

     Mehlis, der furchtbar unentschlossen ist, macht uns ziemlich nervös, da er nicht weiß, ob er bleiben soll, oder nicht. Einige Soldaten sagen, die Russen hätten verbreitet, daß alle Soldaten die Gegend verlassen müßten, andere wieder sagen, es hieße, sie könnten die Gegend verlassen. Die Russen haben noch keine offiziellen Bekanntmachungen erlassen. Es heißt zwar, daß in Wustrow ein Kommissar wäre u. in Althagen ein höherer Stab läge, aber zu sehen ist nichts. Frau Meisner war heute in der BuStu u. erzählte, daß ihre Mutter. Frau Geh Rt. Miethe, sehr schlecht von Russen behandelt worden sei. Frau Meisner wollte sich bei einer höheren Dienststelle, die in der Hoffnung untergebracht ist, beschweren. Dort befindet sich auch ein deutscher Kriegsgefangener als Dolmetsch u. dieser hat zu Frau Meisner gesagt, der General wohne in Ahrenshoop. Aber hier weiß niemand etwas von einem General.

     Um Mehlis aus seiner Unentschlossenheit herauszureißen, habe ich ihm zugeredet, los zugehen u. zu versuchen, nach Müritz zu den Engländern zu kommen. Er will das nun auch tun. Es hat für ihn ja keinen Zweck, hier herumzuliegen. Er fühlt sich hier unsicher u. diese Unentschlossenheit ist schlimm. Er muß irgend etwas tun, entweder gehen oder bleiben u. wenn er nicht mit innerer Sicherheit bleiben kann, ist es besser, wenn er geht, dann hat er wenigstens einen Entschluß.

     Es scheint nun so, als sei der Durchzug des Tross beendet. Die einzelnen Soldaten, die man jetzt sieht, scheinen richtige Infantristen zu sein.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-05-04. , 1945, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-04_003.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2024)