half ich ihm u. zeigte ihm den Inhalt. Die Geldscheine, die darin lagen, interessierten ihn nicht. Die zweite Nickel=Kassette hat er entweder nicht gesehen, oder sie interessierte ihn nicht weiter. In der Droguerie, in der es sehr dunkel ist, leuchtete ich ihm mit einer Kerze. Dort stehen sehr viele verschlossene Behältnisse, aber er griff nur nach einem Kasten, der obenauf stand. Ich öffnete sie ihm u. er war zufrieden. Dann ging er wieder runter, besichtigte auch noch den Keller. Der andere Soldat, der unten geblieben war, stellte inzwischen fest, daß das Telephon außer Betrieb war. Als die Leute wieder gehen wollten, versuchte ich, dem Hauptmann zu sagen, daß geplündert würde, doch verstand er kein Wort. Er war sonst sachlich u. korrekt, sprach kein Wort, grüßte nicht, war weder freundlich noch unfreundlich. Er war ein großen, ungeschlachter Kerl mit einem rohen Gesicht u. einigen Karbunkeln im Nacken, ein richtiger Knoten. Alle drei fuhren dann in ihrer Limousine weiter, kamen dann aber nach etwa 10 Min. wieder zurück u. fuhren in Richtung Althagen davon. Ich habe nicht feststellen können, ob sie inzwischen noch ein anderes Haus besichtigt haben. Diese Besichtigung durch einen Hauptmann kann ja nur den Zweck haben, ein Haus zu suchen, daß sich für ein Stabsquartier eignet, u. da unser Haus sicher für ein solches geeignet ist, haben wir sofort begonnen, unsere Sachen auszuräumen. Vor allem habe ich meine Kleidungsstücke u. die von Fritz verborgen, denn danach herrscht offenbar starke Nachfrage. Es zeigt sich, daß alle diese Bolschewisten große Neigung zur Bürgerlichkeit haben u. erpicht sind auf Herrengarderobe, Schuhzeug, Schmuck u. vor allem Armbanduhren. Die meinige besitze ich immer noch, obgleich ich sie immer trage. Auch aus der BuStu. haben wir gestern mit Hilfe von Frau Schwerdtfeger alles ausgeräumt, was Wert hat, nachdem Papenhagen uns die zerschlagenen Fenster mit Brettern vernagelt hat. Im Geschäft ist jetzt nur noch wertloses Zeug. Viel gestohlen haben sie in der vorgestrigen Nacht nicht, nur haben sie alles durcheinander geworfen, denn sie haben wohl hauptsächlich nach Zigaretten u. Schnaps gesucht. Martha meint, daß sie von Fritz Anzüge mitgenommen haben, die in Zimmer 4 im Schrank gehangen haben, aber das ist nicht sicher. Sie müssen wohl auch in meinem Atelier gewesen sein, da die Türe ja aufstand, aber sie haben nichts angerührt. Im Büro standen die Pakete von Dr. Krappmann, deren Umhüllung sie teilweise aufgerissen haben, aber anscheinend haben sie nichts herausgenommen. Auch die Koffer von Regina Treffer u. ihrer Kollegin, die dort standen, sind unversehrt.
Paul war gestern um 2 Uhr im Kurhaus, wo sie einen Radio-Appadat mit Akku haben. Er hörte, daß der Waffenstillstand in Nordwestdeutschland, Dänemark u. Holland abgeschlossen sei, nur noch in der Tschechei wird anscheinend noch an einigen Stellen gekämpft. Den Doppelposten in der Düne hinter unserem Hause haben sie anscheinend wieder eingezogen, es gehen jetzt nur noch Patrouillen an der Düne entlang zum Schutze einer Telephonleitung, die sie dort gelegt haben. Auf dem Hohen Ufer stehen zwei Kanonen, die eifrig schießen, sobald sich draußen auf See Fahrzeuge sehen lassen. Es fahren manchmal solche vorbei, kleine Segelboote mit Hilfsmotor. Sie bleiben aber sehr weit draußen. Da die See meist ruhig ist, können sie das. Es werden wohl Flüchtlinge aus Kurland sein.
Im Ort ist seit gestern Nachmittag ein Feldwebel als Ortskommandant installiert, der im Gemeindeamt sein Büro aufgeschlagen haben soll. Ich sah diesen Mann
Hans Brass: TBHB 1945-05-06. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-05_002.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2024)