Zum Inhalt springen

Seite:HansBrassTagebuch 1945-05-18 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Es müssen wohl im Westen u. Süden sehr große Sprengungen vorgenommen sein u. das tut man ja nicht, wenn man irgendwo bleiben will.

     Trude berichtet eben, daß in Wustrow die GPU eingerückt sei u. zahlreiche Verhaftungen ehemaliger Nazis vorgenommen haben soll. Es ist wohl möglich, daß sie diese Nazis vor ihrem Abmarsch dingfest machen werden. Auch Bachmann sollen sie suchen der heute früh mit dem Lebensmittel-Auto nach Ribnitz fahren wollte, aber nicht da war.

     Es ist also eine große Spannung festzustellen. Ueber die Beziehungen Rußland = Japan gehen auch die widersprechendsten Gerüchte. Einige sagen, Rußland habe Japan den Krieg erklärt, andere, daß umgekehrt Rußland sich mit Japan verständigt habe.

     10 Uhr. Ich war eben bei Ilse Schuster, wo ein Akku ist. Dort ist weder gestern Abend, noch heute morgen über Schweden irgend etwas gesagt worden, dagegen hat offensichtlich die Spannung zwischen den Westmächten u. Rußland so zugenommen, daß in scharfen Ausdrücken davon gesprochen wird. England führt Klage, daß es bereits seit einem Monat nichts mehr von der nach Polen gesandten Kommission gehört habe, ferner, daß es sehr lange hätte warten müssen, bis es von Italien aus in Oesterreich hätte einrücken können u. daß die Russen vorher ohne Zustimmung der Westmächte in Oesterreich die Regierung Renner eingesetzt habe u. schließlich, daß Marschall Tito Triest widerrechtlich besetzt habe. –

     Eben hörte man von Althagen her ein ungeheures Hurrah-Geschrei der Russen, sehr lange anhaltend, dazu Freudenschüsse aus MG's u. Gewehren, so wie es diese wilden Horden zu tun pflegen.

     5 Uhr nachm. Frau Dr. Daubenspeck war eben da, um mich zu überreden, Bürgermeister zu werden. Das ganze Dorf wolle es. Ich habe wieder abgelehnt u. darauf hingewiesen, daß Paul die Geschäfte viel besser macht als ich u. daß er sich ja auch ganz dafür einsetzt. – Sie erzählte uns dann viele Greuelgeschichten. Es ist ja wirklich sehr schlimm, wie die Russen es treiben; aber daran könnte ich auch nicht das Geringste ändern. Diese russ. Offiziere haben ja überhaupt keine Autorität, sie beteiligen sich ja selbst an den Räubereien u. Vergewaltigungen.

Freitag, 18. Mai 1945.     

     Gestern gegen 6 Uhr hatten wir ein Gewitter mit ungewöhnlich starkem Wolkenbruch. Die schmalen Wege zwischen den Beeten des Gartens standen im Nu randvoll von Wasser. Am Vormittag hatte ich Tomaten gepflanzt, dieser Regen ist den jungen Pflanzen sehr gut bekommen

     Vorher war Gretel Neumann bei Martha gewesen. Sie war sehr deprimiert, da die Russen das ganze Kurhaus ausgeräubert haben. Sie waren vorgestern mit 15 Wagen dort, haben alle Matratzen u. Betten herausgeholt, aus der Küche fast sämtliche Kochtöpfe gestohlen u. die Lebensmittel-Vorräte teils mitgenommen, teils vernichtet. Gestern waren sie nochmals mit 2 Wagen da u. haben noch die restlichen Stühle u. dergl. abgeholt. Wie ich höre, sollen sie es im Charlottenhof ähnlich gemacht haben. Gretel Neumann selbst ist bisher noch nichts passiert, aber ihre Kusine soll nun schon zum zweiten Male vergewaltigt worden sein. –

     Es sind gestern einige Abteilungen der Russen abgezogen, aber es sind noch genug hier geblieben, um uns weiterhin zu peinigen. Immerhin sieht man nicht mehr so viele Soldaten.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-05-17. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-18_001.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2024)