u. dann geplünderte Häuser, in denen büchstäblich nichts mehr vorhanden ist, was irgendwie Wert hat. Bei Prof. Sudeck sah ich einen elektr. Kühlschrank, den sie gewaltsam mit großer Mühe aufgebrochen hatten, um festzustellen, daß er leer war. Wahrscheinlich haben sie ihn für einen Kassenschrank gehalten. – Andererseits ereignete sich gestern das Wunder, daß die Russen dem Herrn Brand sein Pferd u. seinen Wagen wirklich wieder zurückgebracht haben. Die Pferde des armen Spangenberg dagegen sind trotz aller Bemühungen nicht zurück zu bekommen gewesen.
Gestern Abend Herr + Frau Partikel bei uns. P. malt unentwegt Stalin u. Lenin für die Russen, hat aber außer einem Stückchen Brot bisher keinerlei Entlohnung bekommen, obgleich der Kommandant vorher sehr große Versprechungen gemacht hat. – Herr Dr. Hahn kam aufgeregt u. berichtete, daß die Russen am Grenzweg wieder sehr im Gange seien u. die Frauen belästigten. Ich konnte ihm nicht helfen. Ich blieb abends noch lange auf, aber im Dorfe selbst blieb alles ruhig. Ich bete jeden Abend mindestens einen Rosenkranz.
Gestern räumten die Russen Ahrenshoop. Alles, was sie in den letzten Tagen herangeschleppt hatten, um hier ein Erholungsheim einzurichten, wurde auf Lastwagen gepackt u. wieder fortgebracht. Zurück blieb nur ein unvorstellbarer Haufen Dreck. – Heute morgen erzählt Trude, daß auch die Batterie ganz leer sei, in ganz Althagen sei kein Russe mehr.
Gestern um die Mittagszeit erschien eine Limousine vor dem Gemeindeamt, der ein Hauptmann, eine junge Frau u. zwei bewaffnete Soldaten entstiegen. Der Hauptmann u. die Frau kamen in mein Amtszimmer u. wünschten mich allein zu sprechen. Paul verließ deshalb das Zimmer. Der Hauptmann sprach nur russisch, die Frau konnte mäßig deutsch. Der Hauptmann stellte nun allerhand Fragen u. es schien mir so, als ob er mißtrauisch wäre, worauf ich ihm erklärte, daß ich sehr gern sofort mein Amt niederlegen wolle, wenn den russ. Behörden meine Person nicht genehm wäre, – vorläufig jedoch sei ich auf Anordnung eben dieser russ. Militärbehörde hier eingesetzt. Ich zeigte ihm die entsprechenden Urkunden, worauf er bedeutend höflicher wurde. Er stellte ganz alberne Fragen, so z.B. ob ich eine Schule besucht hätte. Ebenso fragte er nach Paul. Schließlich ersuchte er mich, meinen Lebenslauf zu schreiben, Paul solle dasselbe tun, er würde in einer Stunde wiederkommen.
Als ich dann, nachdem ich meinen Lebenslauf geschrieben hatte u. Paul nachhause gegangen war, auf ihn wartete, erschien Frau Paetow sehr aufgeregt u. sagte, ihr Sohn Fritz sei verhaftet, es stünden zwei Soldaten vor seiner Tür u. sie könne nicht zu ihm, die Russen seien gekommen u. hätten behauptet, Fritz Paetow sei SS=Offizier. Ich beruhigte die Frau u. versprach ihr, mein Möglichstes zu tun.
Schließlich kamen die Russen wieder, Fritz P. mit ihnen. Der Hauptmann + die Frau gingen noch zum Strande u. Fritz P. kam zu mir herein u. versicherte mir,
Hans Brass: TBHB 1945-06-01. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-02_001.jpg&oldid=- (Version vom 30.8.2024)