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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-05 001.jpg

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Hoffmann sagte mir, daß die Apparate in Ribnitz „sicher gestellt“ werden sollten vor dem Zugriff unbefugter Russen, sie würden später wieder zurückgegeben werden, – was natürlich unglaubwürdig ist. Dr. H. meinte, wir könnten auch mehr als sechs Apparate behalten, nur dürften keine ehemal. Parteigenossen Apparate haben. – Wir holten nun mit der Hilfe des Herrn Liebers die schlechtesten Apparate heraus, u. solche, in denen Röhren fehlten, was bei sehr vielen der Fall war. Aus anderen nahmen wir noch Röhren heraus. Die besten Apparate stellten wir zur Seite. Schließlich war der Lastwagen hoch beladen mit lauter unbrauchbaren Apparaten. – Herr Liebers hat für mich einen sehr schönen Apparat zurückgestellt, dazu noch einen kleinen mit Akku-Empfang.

     Abends kam Frau Inge Lehment in höchster Aufregung. Es waren betrunkene Russen bei ihr im Hause u. randalierten. Ich schickte Herrn Liebers, der grade bei mir war, hin, der zufällig einen Offizier traf, welcher den Zwischenfall beseitigte. Heute früh aber kam Frau L. wieder u. erzählte, daß in der Nacht zwei Russen versucht hätten, abermals durch den Keller in das Haus einzudringen. Die Bewohner haben viel Aufregung gehabt. Schließlich zogen die Russen ab, nachdem sie zwei Fahrräder gestohlen hatten. Ich schickte Frau L. gleich zu Dr. Hoffmann, damit dieser versuchen solle, beim neuen Kommandanten vorstellig zu werden.

     Dr. H. machte auf mich gestern einen etwas unsicheren Eindruck. Er sagte mir, daß jetzt die eigentliche russ. Armee abgezogen sei, sie würde in Warnemünde verladen. Die jetzt hier befindlichen Soldaten seien Besatzungstruppen unter dem Kommando eines Oberst u. mit diesem habe er, Hoffmann, gleich eine unliebsame Auseinandersetzung gehabt, die dann aber beigelegt wurde. Der Oberst habe verlangt, daß H. in Wustrow wohne, aber H. habe das abgelehnt. Man habe sich dann geeinigt, daß der Bürgermeister von Wustrow, Herr Halier, alle Verwaltungssachen machen solle, während Hoffmann nur noch die Verpflegung, Lebensmittel-Zufuhr u. Transportwesen machen sollte. Damit dürfte, wie es scheint, sein schöner Posten als „Bezirks-Bürgermeister“, doch schon stark erschüttert sein. –

     Diese sog. Besatzungstruppe scheint sich zunächst recht viel herauszunehmen, aber ich hoffe, daß sich das mit der Zeit geben wird. Es wird notwendig sein, mit dem neuen Herrn Oberst Fühlung zu nehmen.

     Die Belästigungen durch russ. Soldaten sind teilweise durch unsere jungen Mädchen + Frauen mit verschuldet, indem diese im Badekostüm, d.h. fast nackt, herumlaufen. Die Russen, die das nicht kennen, denken, daß sie es mit Dirnen zu tun hätten.

Dienstag, 5. Juni 1945.     

     Der gestrige Tag war wieder einmal randvoll Aerger u. Verdruß. Der Bürgermeister von Prerow schickte mir einen Radfahrer, einen alten Mann, der mir einen Brief übergeben sollte, lt. dem ich mich umgehend in Barth beim Landrat zu melden hätte. Es ist einfach grotesk, welch Unsinn dieser Landrat sich da ausdenkt. Selbst wenn die Verfügung, daß wir jetzt zu Mecklenburg gehören u. dem Landratsamt Rostock

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Hans Brass: TBHB 1945-06-04. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 30.8.2024)