vorüber, daß die Sachen gestohlen werden. Wir werden jetzt daran gehen, die restlichen Flüchtlinge abzutransportieren. Dr. Hoffmann hat mich wissen lassen, daß nun in Berlin eine Stelle eingerichtet sein soll, die auch die Flüchtlinge aus dem Westen zurückbefördert. Wenn wir diese Leute erst einmal alle los sein werden, wird es um Vieles besser werden. – Der ehemalige Marine-Artillerist Klebach, der uns in der Waschküche schon früher einen Kochofen gebaut hat, brachte heute früh einen eisernen Ofen, den wir notfalls im Winter im Wohnzimmer aufstellen werden, falls wir keine Kohlen bekommen.
Gestern Nachmittag bei Ziel ziemlich langweilig. Bürgerlicher Geburtstag mit Jugenderinnerungen, Kuchen u. Bohnenkaffee, nachher ein Glas Sekt. Außer Martha u. mir selbst war Frau Griesel da, die dort wohnt[1].
Abends kam Herr Damm u. erzählte, daß er in Wustrow mit seinem Auto angehalten worden sei. Er mußte nach Althagen fahren u. Dr. Hoffmann holen. Es hat dann eine lange Verhandlung im Hause des Kommandanten stattgefunden, während der Damm warten mußte. Es wurde ihm dann gesagt, er könne nachhause fahren, Herr Gläser u. Herr Dr. H. würden dort bleiben. Damm solle heute früh um 8 Uhr wieder dort sein u. dann nach Ribnitz fahren. Mehr weiß ich nicht.
Später kam noch Frl. Lenhardt, die mit ihrer Mutter gestern von Rostock aus zu Fuß hierher gekommen ist, um ihr völlig ruiniertes Haus zu sehen. Sie sah sehr elend aus u. war verzweifelt über den trostlosen Zustand des Hauses. Sie machte Anzeige gegen zwei Flüchtlingsfrauen, die im Haus am Meer gewohnt haben u. noch hier sind, jetzt aber anderwärts wohnen. Beide sollen viel gestohlen haben. Ich habe Paul beauftragt, heute morgen die notwendigen Vernehmungen vorzunehmen u. ev. Haussuchungen bei beiden machen zu lassen.
Unsere Andacht heute wieder gut besucht.
Gestern Nachmittag kam Dr. Hoffmann u. brachte mir 5000 Rm. in nagelneuen Scheinen für die Gemeinde. Das Geld stammt aus beschlagnahmtem Parteivermögen u. wurde uns von der politischen Polizei in Ribnitz überwiesen. –
Es hieß, wir könnten Flüchtlinge wieder abschieben, aber gestern bekamen wir Nachricht, daß die Leute in Ribnitz nicht weiterkommen. Diese Nachricht war privat von Evi Niemann, amtlich bekommt man ja fast garkeine Weisungen. Die Russen bauen, wie ich höre, die Eisenbahnstrecke Velgast=Prerow ab u. schicken die Schienen nach Rußland. Sie scheinen in dieser Weise alle Nebenstrecken abzubauen. Evi Niemann erzählte mir, daß das Fernsprechamt in Ribnitz völlig leer sei.
Gestern Nachmittag um 4 Uhr hielt ich meine Rede zu den Ahrenshoopern in Balt. Hof. Ich hatte den russ. Kommandanten davon unterrichtet u. er hatte mir sagen lassen, daß er persönlich kommen würde. – Der Saal war gedrängt voll, es waren alle da, die irgend nur konnten. Die Rede dauerte etwa eine Stunde u. obwohl ich mit den Nazis streng ins Gericht ging u. ihnen nichts schenkte, war der Beifall doch sehr groß. Nach der Rede kamen viele Demokraten u. drückten mir
Hans Brass: TBHB 1945-06-09. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2024)
- ↑ ebenso Dr. Hahn u. Frau