mit freudiger Begeisterung die Hand. Der Kommandant hatte seinen Wachtmeister mitgebracht u. ließ sich die wichtigsten Stellen von ihm dolmetschen. Nach meiner Rede stand er auf u. äußerte den Wunsch, selbst etwas zu sagen. Frau Marie Seeberg dolmetschte. Ich hatte gesagt, daß der Krieg eine Auseinandersetzung zwischen Demokratie u. Diktatur gewesen sei u. der Kommandant griff das auf, indem er versicherte, auch Rußland sei eine Demokratie. Das war immerhin überraschend. Auch sonst sagte er Sachen, die offensichtlich von dem Bestreben diktiert waren, zu uns freundlich zu sein. So entschuldigte er gewissermaßen die gelegentlichen Uebergriffe russischer Soldaten mit der langen Kriegsdauer, durch welche die Moral gesunken sei. Jedenfalls wurde dadurch ein persönliches Verhältnis zwischen uns u. ihm hergestellt u. auch von dieser Seite her war meine Rede ein voller Erfolg.
Herr Gläser ist gestern um 2 Uhr wieder zurückgekehrt. Es hat sich offenbar darum gehandelt, daß in Wustrow ein ehemal. SS=Mann verhaftet worden war, in dessen Hause man ein umfangreiches Hamsterlagen an Garderobe, Wäsche, Lebensmitteln, Gold u. Juwelen gefunden hat. Dieser SS-Mann soll ein Rechtsanwalt aus Berlin sein, der früher mit Dr. Hoffmann in Berlin eine Anwaltsfirma gehabt hat. Herr Dr. H. soll diesen Mann gedeckt haben. – Die Ribnitzer Kommunisten haben sich wohl hinter die russ. Staatspolizei gesteckt u. haben das gefundene Hamstergut beschlagnahmt u. nach Ribnitz entführt. Zugleich haben sie verlangt, daß ein Ribnitzer Kommunist namens Harder in Wustrow wohnen sollte, offenbar als Kontrolle. Der Bürgermeister von Wustrow, Hallier, der ein großes Kamel sein soll, hat sich seinerseits hinter den russ. Kommandanten, einen ständig betrunkenen Kosakken-Häuptling, gesteckt u. nun ist der Krieg losgegangen. Der Kosakken-Häuptling hat Dr. Hoffm. u. unseren Herrn Gläser verhaftet, diesen, weil er angeblich ein fazistischer Spion sein soll, dazu noch zwei Kommunisten aus Ribnitz. Alle mußten die Nacht in einem Keller zubringen. Am Sonntag-Morgen mußten sie nach Ribnitz fahren u. das Hamstergut wieder zurückbringen, erst dann war man zufrieden u. entließ sie wieder. – So ungefähr scheint sich die Sache abgespielt zu haben. Mittags war ein Wustrower Hilfspolizist bei mir u. brachte ein Schreiben vom sog. Bezirksbürgermeister Hallier u. dieser gute Mann schimpfte weidlich auf seinen Herrn u. nannte ihn einen unfähigen Dummkopf u. Trottel. –
Die Haussuchungen, die Paul gestern Morgen bei den Flüchtlingsweibern hier veranstaltet hat, sind ebenfalls sehr erfolgreich gewesen. Alle 4 Hilfspolizisten waren voll beschäftigt, um das Diebesgut zu bergen. Frau Lenhardt hat auf Strafanzeige verzichtet, aber die Weiber werden nun sofort Ahrenshoop verlassen, oder ich liefere sie an die Russen aus.
Von heute an soll es pro Woche 1000 gr. Brot geben, seit dem 1. Mai gab es nur 500 gr. Brot wöchentlich. Arbeitende Menschen sollen sogar 1400 gr. Brot bekommen. Das ist ein erheblicher Fortschritt.
Gestern kam der Befehl vom Kommandanten in Wustrow, daß sich sämtliche Fischer mit ihren Booten in Wustrow einzufinden hätten, u. zwar sowohl von der Seeseite, wie von der Boddenseite.
Hans Brass: TBHB 1945-06-11. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-12_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.9.2024)