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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-15 001.jpg

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Freitag, 15. Juni 1945     

     Gestern nach 5 Uhr kam der Bürgermstr. Dillwitz aus Althagen mit einem Oberleutnant u. mehreren Kosacken. Dillwitz sagte, es müßten sofort innerhalb 2 Stunden 20 Bettlaken, Bettbezüge, Kopfkissen u. Kopfkissenbezüge, 5 Sessel, 3 Sofas, 5 Bettgestelle mit Matratzen u. 8 Vorhang-Garnituren für Fenster gestellt werden, dazu noch 5 Radio-Apparate. – Es war eine große Hetze, das alles zusammen zu bringen, aber schließlich gelang es. Die Russen fuhren alles in zwei Lastautos Richtung Althagen ab. Unsere Dolmetscherin sagte mir, daß dieser Oberleutnant nun unser Kommandant sein sollte, – also wieder ein neuer. Der bisherige Oberleutnant sitzt aber immer noch im Kurhause, dazu ist der Hauptmann hiergeblieben. Es scheint, daß nun unser Gebiet vom Darss ganz abgesperrt sein soll. Sie haben dort einen Schlagbaum errichtet, u. Stacheldraht. Sie haben Schilder bestellt: „Grenzzone“ u. „Eintritt verboten“ usw. Heute sollen nochmals Radio-Apparate abgegeben werden und sämtliche Telephon-Apparate. Nur die Gemeinde soll ihren Apparat behalten, aber er soll versiegelt werden.

     In Althagen haben die Russen schon vorgestern in ähnlicher Weise alles abgefahren. Aus Ribnitz höre ich, daß alle ehem. P.-G's verhaftet worden sein sollen. Auch nach Bachmann haben sie gefragt, der aber hier ist.

     Ich fürchte, daß Paul nicht durchhält. Er ist sehr nervös, verliert leicht die Ruhe u. hat immerfort Hunger. An Grete hat er keine Stütze.

Sonnabend, 16. Juni 1945.     

     Der gestrige Tag verlief ziemlich ruhig. Vormittags ging eine Anzeige ein gegen das Geschäft Reichert-Saatmann, daß dort noch Lebensmittel verborgen gehalten würden. Ich ging gleich am Nachmittag mit zwei Polizisten hin u. ließ den ganzen Schuppen durchsuchen, in dem die Strandkörbe stehen, der andere Polizist blieb im Hause, um zu verhindern, daß inzwischen Sachen beiseite gebracht würden. Im Strandkorb-Schuppen fand sich nichts u. auch die Hausuntersuchung war ergebnislos. Mithin ergibt sich, daß das immer wieder auftauchende Gemunkel über Saatmanns ohne Unterlage ist. Die Haussuchung kann also für Saatmanns nur nützlich gewesen sein, da auf diese Weise die Haltlosigkeit all dieses Geredes erwiesen ist, – oder die Leute haben die Sachen so gut versteckt, daß sie nicht zu finden sind.

     In der Notgemeinschaft, in der gut gearbeitet wird u. in der fortlaufend hohe Beträge als freiwillige Spenden eingehen, sind in letzter Zeit Uniformstücke für Russen gearbeitet worden, ohne daß dafür bezahlt worden wäre. Martha hat sich darüber bei dem jüdischen Kosacken-Wachtmeister beklagt. Dieser hat darauf veranlaßt, daß eine gewaltige Rinderkeule an die Notgemeinschaft geliefert worden ist. Dieselbe ist in 12 Teile geteilt worden, so daß alle, die in der Gemeinde ehrenamtlich arbeiten, ein ordentliches Stück Fleisch bekommen konnten. Aus den Resten u. den Knochen wird am Montag eine kräftige Suppe gekocht werden, sodaß alle Mädchen u. Frauen, die in der Notgemeinsch. arbeiten, am Montag ein gutes Mittagessen haben werden. Da auch Leplow Fleisch bekommen hat,

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Hans Brass: TBHB 1945-06-15. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-15_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2024)