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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-24 001.jpg

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Sonntag, 24. Juni 1945.     

     Gestern kamen also wirklich alle Flüchtlinge wieder zurück, u. zwar wurden sie in Ribnitz auf der Straße von Hilfspolizisten gesammelt u. aufgefordert, wieder zurückzufahren. Es muß also der Stadtverwaltung eine diesbezügliche Anordnung aus Rostock zugekommen sein, erst nachdem der Dampfer dort angekommen war, denn sonst hätte man die Leute ja schon am Dampfer benachrichtigen können. Ein Grund für den Befehl wurde nicht angegeben aber es entstand nun das Gerücht von einem neuen Krieg Polens gegen Rußland. Ich ging gleich zum russ. Kommandanten, der mir aber keine Aufklärung geben konnte u. selbst nichts wußte. Die Zurückgekehrten waren zwar sehr müde u. erschöpft, aber schließlich doch froh, daß sie nicht noch weiter gefahren waren.

     Ich traf dann Dr. Meyer auf der Straße, der mir mit aller Bestimmtheit sagte, die Russen sollten bis zum 28. Juni (15. Juni europ. Zeit) sich hinter die Oder zurückziehen, sie hätten aber um Verlängerung dieser Frist gebeten. Ich bin skeptisch.

     Heute früh begann der Tag mit einer Haussuchung beim Bäcker Hagedorn, wo so viel verschobenes Mehl u. andere Waren – Schinken, Waschpulver, Nährmittel usw. – gefunden wurde, daß unser Lastauto in Anspruch genommen werden mußte, uns das alles abzufahren. Die Haussuchung wurde von der polit. Polizei aus Ribnitz durchgeführt, nachdem ich gestern Dr. Hoffmann mitgeteilt hatte, daß Hagedorn gestern nach Ribnitz gefahren sei, obwohl ihm grade am Tage vorher von Dr. Hoffmann diese Fahrten streng verboten worden waren u. er dadurch verhinderte, daß sein Geselle, der gestern mit den Flüchtlingen fortgehen sollte, abreisen konnte. Es fand dann im Gemeindeamt eine Vernehmung statt. Hagedorn hat, wie sich ergab, allein in diesem Jahre schon vier Schweine geschlachtet. Wir beschlagnahmten drei Schinken u. fünf Speckseiten. – Trotz dieses Ereignisses konnte ich dann doch noch die Sonntagsandacht abhalten mit nur 1/4 stündiger Verspätung. –

     Unsere alten Meyers sind nun auch wieder da u. wohnen wieder bei uns. Die alte Frau ist sehr erschöpft, aber sonst gesund. Ich hatte gefürchtet, daß die alten Leute die Reise nicht überstehen würden, – nun hat Gott geholfen u. hat die törichten Anordnungen der Menschen wieder rückgängig gemacht.

     Einer der Herren aus Ribnitz überbrachte mir heute Morgen eine Einladung, morgen um 2 Uhr an einer Besprechung der Bürgermeister in Ribnitz teilzunehmen. Ich will versuchen, hinzufahren, wenn das Lastauto fährt.

Montag, 25. Juni 1945.     

     Unser Kommandant war, wie mir gestern Abend Frau Kahl sagte, sehr ungehalten, weil er bei der Haussuchung bei Hagedorn nicht zugezogen worden war. Er war der Meinung, daß er hätte verhindern können, daß Althagen u. Wustrow an den beschlagnahmten Sachen beteiligt wurden, es hätte s. M. nach alles nur Ahrenshoop zu Gute kommen müssen. Auch fühlte er sich an u. für sich übergangen, denn s. M. nach müsse er als Kommandant von dergleichen Sachen in Kenntnis gesetzt werden. Da mir viel daran liegt, mit diesem trefflichen jungen Menschen auf bestem Fuße zu stehen, ging ich nach abends zu ihm hin. Ich traf ihn glücklicherweise vor dem Hause der Dolmetschers Dalschewsky, sodaß ich in der Lage war, ihm in dessen Hause

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Hans Brass: TBHB 1945-06-24. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 5.9.2024)