Zum Inhalt springen

Seite:HansBrassTagebuch 1945-07-03 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

spendete er ein Wildschwein, das heute von Leplow verkauft wird. Dafür schickte der Althäger gestern Abend seinen Sergeanten, um ein Schlachtschwein bei uns requirieren zu lassen. Dieser Oberleutn. ist zwar auch nicht grade gefährlich bösartig, aber er ist ein eitler Mensch, der kein sehr ernsthaftes Verantwortungsbewußtsein besitzt u. sein Sergeant ist ein recht unangenehmer Patron. Dazu kommt, daß der Oberlt. der Untergebene des Kommandanten von Wustrow ist, der ein wirklich gefährlicher Deutschenhasser ist. Dieser war gestern ebenfalls hier. Ich traf ihn im Kurhause, als ich das geschenkte Wildschwein abfahren ließ, habe ihn aber nicht begrüßt.

     Die Hoffnung, daß wir die Russen los werden, ist nun endgültig vorbei. Gestern wurde im Radio bekannt, daß die Engländer im östlichen Mecklenbg. sogar Gebiete räumen u. sie für die Russen frei machen. Die Russen gehen also keineswegs hinter die Oder zurück, sondern besetzen noch mehr im Westen. Damit eröffnet sich uns eine trübe Zukunft. Die Russen haben überhaupt keinen Nachschub, sie leben allein aus dem Lande, u. das Land ist jetzt schon ausgesogen. Sie haben garkein Verständnis dafür, daß man aufbauen muß, sie können nur Raubbau treiben u. plündern. Was unter diesen Umständen werden soll, weiß ich nicht. Die Bunte Stube kann so natürlich nicht existieren, sie bietet auch für Fritz keine Existenz mehr, – u. das Leben u. die Existenz jedes einzelnen Einwohners ist gefährdet. Ich sehe nicht, wie wir durch diesen Winter kommen sollen. Der Gesundheitszustand ist sehr besorgniserregend, es herrscht Ruhr, obgleich man die Krankheit nur Durchfall nennt. Ich selbst leide auch daran, vor allem aber die Kinder.

Dienstag, 3. Juli 1945.     

     Mittags versuchte ich gestern, den Kommandanten in der Batterie zu besuchen, traf ihn aber nicht an. Am Nachmittag kam er aber zu mir ins Geschäftszimmer. Er brachte Frau Marie Seeberg mit als Dolmetscherin. Dieser Mensch, der seinem Gesicht u. seinen Händen nach zu urteilen weder dem Bauern= noch dem Arbeiterstande angehört, sondern den Eindruck eines kleinen Angestellten macht, ist ein unbeschreiblicher Flegel. Es fehlt diesen Leuten die allermindeste Vorstellung von Benehmen. Der Kerl flegelt sich im Stuhle herum wie ein richtiger Lümmel u. man möchte ihn immerzu ohrfeigen. Der kleine Sergeant Michael, der bisher unser Kommandant war, ist ein Bauernsohn aus dem Ural, der zwar keine Ahnung von gesellschaftl. Schliff hat, aber doch über einen natürlichen Anstand verfügt, der sehr sympatisch wirkt. Dieser Oberleutant aber ist einfach ein Lümmel.

     Er verlangte von mir gestern 20 Ltr. Benzin. Ich versicherte ihm, daß ich kein Benzin hätte u. im ganzen Dorf kein Benzin aufzutreiben wäre. Er wollte das nicht glauben u. meinte, daß es mir schlecht gehen würde, wenn ich ihm bis heute das Benzin nicht schaffte. Der Kerl hat nämlich ein Motorrad, auf dem er nicht fahren kann, weil er kein Benzin hat u. sein Vorgesetzter, der Hauptmann u. Kommandant von Wustrow leidet an demselben Mangen für sein Motorrad.

     Gegen Abend kam Herr Harder u. sein Genosse von der polit. Polizei in Ribnitz aus Wustrow. Er tat zunächst sehr indigniert, weil ich Hagedorn sein Fleisch zurückgegeben hatte u. fragte, warum das geschehen sei. Ich sagte, die Beschlagnahmung sei auf Grund der sog. „Schlachtscheine“ erfolgt, die sich dann als „Anrahmungsbescheide“ herausgestellt

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-07-02. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-07-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2024)