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Seite:HansBrassTagebuch 1945-07-13 002.jpg

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Wagen müsse nach Rostock fahren. Ich witterte also schon Unrat. Wir hielten bei Hoffmanns Wohnung, da H. mitfahren wollte. Er kam in Gesellschaft von Herrn Soelke, der aber nicht mitfuhr. In Wustrow blieb ich im Wagen, da ich ja keine Veranlassung hatte, den Kommandanten nochmals zu sprechen; aber dann kam der Beifahrer Buchholz u. sagte mir, wenn ich nach Ribnitz wollte, sollte ich zum Kommandanten selbst reingehen.

     Ich tat es u. man war tatsächlich grade dabei, alles umzustoßen u. den Wagen nach Rostock zu schicken. Ich machte natürlich meiner Empörung Luft u. es gab scharfe Auseinandersetzungen, in deren Verlauf der Kommandant zum Ausdruck brachte, daß es ihm ganz gleichgültig sei, ob wir verhungerten, er würde uns nicht helfen. Der Kerl war von einer maßlosen Unverschämtheit u. behandelte mich u. Frau Marie Seeberg, die als Dolmetscherin dabei war, absichtlich beleidigend. Schließlich billigte er mir den Wagen zu unter der Bedingung, daß er um 1 Uhr wieder in Wustrow wäre.

     Anstatt nun gleich loszufahren, mußten wir nun erst den anderen Wagen von Richter abschleppen u. zur Molkerei zurückfahren. Dann fuhren wir endlich los nach Damgarten. Ich hatte Leplow mitgenommen, um den Vieheinkauf zu klären, aber die Verhandlung mit dem Bürgermeister u. seinem landwirtschaftl. Sachbearbeiter verlief ganz ergebnislos. Dieser Bürgermeister ist ein Knoten. Die Leute lassen kein Stuck Vieh aus ihrem Bebiet heraus. Es wird nichts weiter übrig bleiben, als nach Barth zu fahren u. zu versuchen, dem Damgartner Versorgungsgebiet angegliedert zu werden. Wir fuhren dann zurück nach Ribnitz u. luden 60 Centner Kartoffeln auf bei Reiffeisen, alles in größter Hast, dann zurück nach Wustrow wo ich in der Molkerei noch 20kg. Butter bekam u. dann nach Ahrenshoop zurück. Der LKW. ist dann tatsächlich pünktlich um 1 Uhr wieder in Wustrow gewesen. Es gelang mir dann noch, 20 Centner Kartoffeln von Dillwitz in Althagen dazu zu bekommen, sodaß nun endlich einmal wirklich alle Leute je 10 Pfd. Kartoffeln bekommen konnten.

     Am Sonntag morgen kam Herr Damm u. erzählte mir, daß Dr. Hoffmann mit Frau, Herr Soehlke u. Frau u. Kinder u. Frau Kuhnke mit Kindern in der Morgenfrühe mit dem Richterschen Wagen nach Berlin abgefahren sein sollten. Tatsächlich waren am Sonnabend Nachmittag Frau Soehlke u. Frau Kuhnke bei uns gewesen um sich zu verabschieden, – sie wollten nach Berlin fahren am Sonntag oder Montag. In der ganzen Gegend ging nun das Gerücht, Herr Dr. H. sei getürmt. Offenbar muß er aber vorher selbst gesagt haben, daß er für 10 Tage nach Berlin auf Urlaub führe. Mir hat er zwar davon kein Wort gesagt, aber den jüngeren Dr. Grantz hat er gebeten, ihn beim Kommandanten zu vertreten. Ich kann mir nicht gut denken, daß Dr. H. wieder zurück kommt, der Boden ist ihm wohl zu heiß geworden. Wir sind damit einen üblen Schieber los, müssen uns nun zwar selbst mehr um die Ernährungsfragen kümmern oder vielmehr, ich bin nun ganz auf mich selbst angewiesen in diesem Punkt, aber Herr Dr. H. hat ja so wie so in dieser Sache nicht mehr viel getan. Seine Tatigkeit bestand in der Hauptsache darin, für den Kommandanten Schnaps u. für sich selbst Lebensmittel zu organisieren.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-07-16. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-07-13_002.jpg&oldid=- (Version vom 9.8.2024)