meinte, jedoch ahnte ich wohl, daß der Unteroffizier Fleisch gebracht hätte als Bezahlung gegen Kleidungsstücke, die er aus der Schneiderstube erhalten hatte. So war es auch in der Tat. Ich versuchte, dem Polizisten dies klar zu machen u. ich sagte ihm, daß dieses Fleisch nicht mein Besitz sei, wenn es auch vielleicht in meiner Küche abgeladen worden sei. Dort wird das Fleisch nur verteilt an diejenigen, die für die Russen gearbeitet haben u. die Hauptsache kommt in die Notküche zur Verteilung an die Bedürftigen. Der Mann hörte zum Glück zu u. ließ sich wohl auch von der Wahrheit überzeugen, dennoch war diese Sache sehr unangenehm. Es ist gut möglich, daß daraus übler Klatsch entsteht. Als Martha nachhause kam, machte ich ihr deshalb Vorhaltungen, aber es war nun nicht gut mehr etwas zu ändern. Martha versicherte mir, daß alles in die Notküche käme oder an die Arbeiterinnen der Schneiderstube verteilt würde u. damit muß ich mich begnügen, doch habe ich mir ausgebeten, daß solche Geschäfte mit den Russen in Zukunft nicht mehr gemacht werden.
Abends kam Gretl Neumann aus Ribnitz zurück, wo sie gut für uns gearbeitet hatte. Es war ein Dampfer bis Althagen gefahren u. hatte allerhand Lebensmittel gebracht. Darunter war auch Grütze. Wir, bzw. Paul, errechnete die Verteilung u. wir kamen überein, jedem Kinde bis zu 10 Jahren 2 Pfd. Grütze zuzubilligen. Ein kleiner Rest bleibt dann noch für alte u. kranke Leute. Darob heute große Aufregung bei einigen Weibern, die keine kleinen Kinder haben. Es fällt manchmal sehr schwer, die Ruhe zu bewahren.
Ein Leutnant aus Zingst war Mittags hier u. wollte Teller, Tassen u. Gläser requirieren. Ich versprach, ihm die Sachen u. er versprach mir dafür, mich nach Barth u. zurück zu fahren.
Nachts um 12 Uhr wurde ich durch Klopfen geweckt. Unten stand der Kommandant aus Althagen mit seinem Unteroffizier. Er erzählte eine große Geschichte, aus der ich entnahm, daß ein General zu Besuch gekommen sei u. daß er diesem Schnaps oder Brennspiritus geben müsse. – Diese Geschichte mit den Generälen kenne ich nachgrade, sie treten stets auf, wenn es sich darum handelt, ungesetzliche Dinge zu decken. Der Kommandant forderte mich auf, mich anzuziehen u. auf die Suche nach Schnaps oder Brennspiritus zu gehen, wobei er auf den General schimpfte, für den er jetzt rumlaufen müsse, anstatt schlafen zu können. – Ich zog mich also an. Die Pferde der beiden, – des Kommandanten u. seines Unteroffiziers, – standen an der Gartentür. Ich verlangte, daß der Dolmetscher Daschewsky geholt würde. Als er kam, – er mußte natürlich ebenfalls aus dem Bett geholt werden, – gingen wir erst zu Liebers rüber. Ich klopfte, der Kommand. wurde ärgerlich, weil ich zu leise klopfte, er ließ mich sein Pferd halten u. donnerte gegen die Tür, bis Liebers kam. Er versicherte, nichts zu haben u. wir zogen weiter zu Saatmann. Dasselbe Spiel. Dann ging es zu Graeff, aber in diesem Hause rührte sich nichts, obgleich wir viel Lärm machten. Der Kommand. wurde immer wütender. Es ging zu Budde, wo es nicht lange dauerte, daß eine Fensterscheibe kaputt ging. Der Kommand. u. der Unteroffizier wollten den ganzen Fensterrahmen herausbrechen u. hätten es getan, wenn ich nicht dazwischen getreten wäre. Ich zerschlug die Scheibe ganz, riegelte das Fenster von innen auf u. wir stiegen ein. In der Küche fand ich eine Kerze. Endlich erschienen Budde u. seine Frau
Hans Brass: TBHB 1945-07-31. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-08-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2024)