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Seite:HansBrassTagebuch 1945-09-04 001.jpg

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     Sonnabend Mittags waren zwei Herren von Landratsamt Rostock im Auto hier, der eine von ihnen war Herr Haase der in Ribnitz Verbindungsmann mit dem Landratsamt ist. Es mußten wieder neue Listen gemacht werden Termin Sonntag 12 Uhr. Paul u. alle anderen mußten sofort heran, aber sie wurden nicht fertig. Die Listen konnten erst heute früh mit einem Radfahrer nach Wustrow gebracht werden.

     Sonntag Morgen vor der Andacht kam der Oberleutnant aus Zingst wieder geritten, der s. Zt. die Razzia gemacht hatte. Er ritt zu Frau Kansi u. ließ mich holen. Als ich hinkam, lag er u. schlief. Ich ging wieder nach hause, hielt die Andacht u. ging dann wieder hin, aber er schlief noch immer. Ich ließ ihm durch Frau Kansi bestellen, er möge mir sagen lassen, wenn er aufgewacht sei. Ich hörte dann nichts mehr von ihm.

     Nachmittags waren Martha u. ich bei Frau Longard. Abends kam noch Gretl Neumann u. erzählte von den Wustrower Vorgängen. Herr Brüssow soll zwar, wie er sagt, tatsächlich im Konzentrationslager gewesen sein, aber nicht aus polit. Gründen, sondern wegen § 175. Andere sagen, er sei ein getarnter SS=Mann, der wie so viele andere gegen Schluß des Krieges in ein Konzentrationslager gegangen sei, um sich ein Alibi zu konstruieren.

     Spangenberg sollte heute nach Ribnitz, um Lebensmittel zu holen, konnte aber nicht, weil er keinen Passierschein hatte.

     Der Kutscher Handschak, den die abziehenden Kosacken bis nach Saßnitz mitgeschleppt hatten, ist zurückgekommen. Er erzählt, daß Rügen voller Kosacken ist. In u. um Saßnitz sind alle Scheunen bis unters Dach vollgepackt mit Möbeln, Wäsche, Kleidern + Koffern, die die Kosacken hier gestohlen haben. Es wird alles nach Rußland transportiert. Handschak will von einem Russen gehört haben, daß alle Kosacken dieser Gegend von Saßnitz aus nach Rußland transportiert würden. Wollte Gott, daß es wahr wäre.

Dienstag, 4. Sept. 1945.     

     Wustrower erzählten mir gestern die Vorgänge dort. Danach hat der dortige Kommandant eine Ansprache halten wollen u. das ganze Dorf war vor dem Gemeindeamt versammelt. Da der Kommandant aber nicht kam, hat der Bürgermeister Brüssow, der ja früher Schauspieler gewesen sein will, das Volk durch Vortrag eines Hörspiels belustigt. Nachdem das Volk zu seinem Erstaunen aus seinem Bürgermeister einen Harlekin u. Spaßmacher hat werden sehen, kam dann, um das Erstaunen u. die Harlekinade voll zu machen, ein Auto dem ein Beamter des Landratsamtes entstieg, um Herrn Brüssow zu verhaften. Es heißt jetzt, er habe 2 1/2 Jahre Zuchthaus gehabt u. sei dann 5 Jahre im Konzentrationslager gewesen. Da es sich um Sittlichkeitsvergehen gehandelt habe, sei er entmannt worden. –

     Frau Hoppe war vor einigen Tagen bei mir. Ihr Mann ist noch nicht zurückgekehrt, sie selbst sitzt mit ihren beiden Jungens in einer Stube neben ihrem Laden u. sie hat keinen Verdienst als nur die paar Pfennige, die aus dem Verkauf von Magermilch herausspringen, die sie von der Molkerei bezieht. Ich sagte ihr zu, daß sie künftig auch die Butter u. die Eier verkaufen solle, die aus dem Dorfe anfallen u. auch gelegentlich aus der Molkerei. Es ist das nicht viel, aber doch wenigstens eine kleine Hilfe. Ich ahnte dabei aber gleich, daß ich deshalb mit

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Hans Brass: TBHB 1945-09-03. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-09-04_001.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2024)