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Seite:HansBrassTagebuch 1945-09-10 001.jpg

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Montag, 10. Sept. 45.     

     Gestern Vormittag erschien wieder der undurchsichtige Oberleutnant aus Zingst. Ich besprach mit ihm die neuerlichen Schwierigkeiten mit unserem Kosackenabtlg., die nicht aufhört, Brot zu entnehmen u. die neuerdings zwei russ. oder poln. Mädchen im Kurhaus untergebracht hat, welche die Kleider der Verwandten von Frau Neumann tragen u. sich sehr frech benehmen. Die Kosacken benutzen die Sielengeschirre unserer Pferdehalter, sodaß die Pferde nicht arbeiten können. – Der Oberleutnant sagte mir, ich solle den Wustrower Kommandanten um Schutz bitten u. außerdem wolle er den Kommandanten von Prerow benachrichtigen. – Heute morgen erzählen die Frauen in der Schneiderstube, daß der kleine Sergeant, der ein ekelhafter Kerl ist, große Reden hält. Er sagt, daß er dem Bürgermeister Anzüge u. Radio abholen würde u. auch sonst im Dorfe räubern würde. Die Russen nennen das „zappzerapp“. Es wird vielleicht gut sein, wirklich nach Wustrow zu fahren.

     Gestern Nachmittag waren Martha u. ich bei dem Ehepaar Mazurek, die aus Berlin gekommen sind. Herr Mazurek ist Katholik u. war vormittags bei der Andacht. Sie erzählten wenig Erfreuliches aus Berlin. Es gab aber Pflaumenkuchen, echten Tee u. eine Art nachgemachter Schlagsahne.

     Am Radio hörte ich gestern wenigstens teilweise eine Ansprache unseres Bischofs Konrad von Berlin über den Domkapitular Lichtenberg u. seinen Martyrertod. Lichtenberg wird bestimmt der erste Heilige der Diözese Berlin werden.

Mittwoch, 12. Sept. 1945.     

     Es scheint dicke Luft in Ahrenshoop zu sein. Herr Dr. Ziel scheint eifrig weiter gegen mich zu stänkern, obgleich Martha wiederholt bei ihm war u. die Dinge besprochen hat. Es scheint sich jetzt um die Notgemeinschaft zu handeln. Herr Ziel hat zu Martha darüber allerhand gesagt u. ich habe ihn deshalb schriftlich gebeten, die Angelegenheiten zu untersuchen u. mir schriftlich Bericht zu erstatten u. notfalls Besserungsvorschläge einzureichen. Bisher hat er darauf nicht geantwortet. Heute Morgen begleitete mich Herr Wiethuchter ins Amt u. sagte mir Aehnliches. Er meinte, daß Herr Ziel gegen mich arbeite u. anscheinend auch wieder Herr Budde. Herr Ziel soll heute nach Ribnitz gefahren sein, vielleicht, wie Herr W. sagt, um auch dort gegen mich zu arbeiten. Herr W. meint, diese Leute hätten sich bereits auf einen anderen Bürgermeister geeinigt u. ich solle Gegenmaßnahmen treffen. Ich lehnte das ab. Ich sagte zu Herrn W., daß ich froh wäre, wenn ich dieses Amt los würde u. wieder malen könnte. –

Donnerstag, 13. Sept. 1945.     

     Ich habe einen Beschlagnahme=Ausschuß eingesetzt der künftig über alle Beschlagnahmungen beschließen soll. Er wird heute Nachmittag erstmalig tagen. Ich habe Herrn Budde in diesen Ausschuß gesteckt, damit er was zu tun hat. Heute morgen traf ich ihn u. er erzählte mich hocherfreut, daß er Nachricht von Herrn Jesse erhalten habe, der in Lübeck sei, er hoffe, bald hierher kommen zu können. Im Moment, wo er das sagte, wußte ich, daß Herr Jesse der neue Kandidat für den Bürgermeisterposten sein wird. Ich glaube in der Tat, daß Herr Jesse sich dafür sehr gut eignen würde, – es fragt sich nur, ob er es machen wird. Ich nehme an, daß er mehr daran interessiert

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Hans Brass: TBHB 1945-09-10. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-09-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2024)