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Seite:HansBrassTagebuch 1945-09-29 001.jpg

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20 Betten mit Matratzen stellen u. ich weiß nicht, wo ich sie hernehmen soll, nachdem diese Kosaken das Dorf ausgeräumt haben.

     Gestern Abend waren wir bei Grete. Es ergab sich, daß sie noch nichts unternommen hatte, um Erika zu verhindern, hierher zurückzukehren. Ich sagte ihr mit aller Schärfe, daß eine Rückkehr nicht in Frage käme, – ich hätte ja von Anfang an verlangt, daß Wollesen sich hier nie in Uniform sehen ließe. Das erste Mal hat er sich auch danach gerichtet, aber bei seinem zweiten Besuch leider nicht.

Sonnabend, 29. Sept. 1945.     

     Gestern Nachmittag wurde ich durch einen Soldaten zum Monheim'schen Hause gerufen, es sei der Major dort. Der Major war ein sehr soldatisch aussehender Mann von etwa 40 Jahren, eher jünger. In seiner Begleitung war ein sehr unsympatisch aussehender jüngerer Offizier mit lauerndem Blick, der mich dauernd beobachtete, u. ein sehr junger Arzt, außerdem der junge, stotternde Leutnant unseres Kommandos. Der Major gab mir die Hand, wobei er sogar aufstand. Er verlangte von mir, daß ich ihm sofort aufschreiben sollte, was alles von den Kosaken gestohlen worden war. Ich bekam Bleistift u. Papier. Er ging mit seiner Begleitung fort u. ließ mich allein mit dem Soldaten, der mich geholt hatte u. der etwas deutsch sprach. Dieser sollte das, was ich geschrieben hatte, russisch übersetzen. Ich schrieb auf, was mir im Augenblick grade einfiel. Nach einer Weile kam der Major zurück. Da ich noch nicht fertig war, wartete er geduldig. Darauf sagte er mir, daß er der Kommandant der ganzen „Insel“ von Zingst bis Ahrenshoop sei u. daß ich seinen Weisungen zu folgen hätte. Er wollte dann leere Häuser wissen, aber nicht im Dorf, sondern nach dem Darss zu. Ich zeigte ihm das letzte Haus, in dem es freilich sehr wüst aussah. Es kam daher für ihn nicht in Frage. Inzwischen waren seine beiden sehr einfachen Pferdewagen, mit denen er aus Zingst gekommen war, – Wagen, wie sie Fleischer zum Ausfahren von Waren in den Städten gebrauchen, nachgekommen. Er sagte etwas zum Leutnant u. verabschiedete sich, indem er dem Leutnant die Hand reichte, mich aber stehen ließ, ohne mich weiter zu beachten. Dann aber fiel ihm wohl ein, daß er mich vergessen hätte, er kehrte um u. gab auch mir zum Abschied die Hand.

     Ich ging mit dem Leutnant u. dem Soldaten zurück. Am Monheim'schen Hause sagte er mir, daß das Haus Linkenbach bis heute um 12 Uhr geräumt sein müsse. Der Leutnant ist sonst sehr nett, ebenso seine Soldaten, aber sie holen jeden Tag 9 ltr. Milch von Paetow. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, daß das nicht geht, aber erfolglos. –

     Herr Dr. Ziel ließ mir gestern durch das Sekretariat seinen Bericht zugehen über seine Verhandlungen in Schwerin u. in Rostock. Heute ließ er mir auf demselben Wege eine Einladung vom „Kulturbund“ zugehen, mich an einer Kunstausstellung zu beteiligen, die im November in Schwerin stattfinden soll. Ich werde mich da gern beteiligen u. hoffe, daß bis dahin Gemeindewahlen waren. Bis dahin will ich mein Amt noch behalten, aber dann mag es ein anderer machen, ich habe mehr als genug.

     Aus dem Bericht über das, was Dr. Ziel in Schwerin gesehen hat u. mehr noch aus dem, was er mündlich erzählt hat u. was mir Frau Schuster weitergab, geht zur Genüge die trostlose Hoffnungslosigkeit hervor, in der wir uns befinden. In Schwerin sollen nach Dr. Z. die Läger voll liegen von Lebensmitteln, da die Russen alles aufspeichern, u. das Volk hungert. Es soll dort gewaltige Mengen von Butter geben, aber sie ist ranzig geworden u. verdorben u. wird jetzt zu Seife verarbeitet. Wir haben schon seit 3 Tagen kein Brot mehr, weil die Russen in Ribnitz nichts herausgeben, – u. so ist es überall.

     Heute am Spätnachmittag mußte ich nochmals ins

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-09-28. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-09-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2024)