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Seite:HansBrassTagebuch 1945-11-19 002.jpg

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mir kürzlich andeutete, soll ja an Martha dieser ehrenvolle Ruf ergehen. Zunächst hat Herr v. A. einmal erklärt, daß künftig keine Beschlüsse vom Gemeindevorstande gefaßt werden dürften ohne Genehmigung der Antifa, – ja, er hat sich direkt beschwert, daß diese Antifa nicht bereits in wichtigen Angelegenheiten um ihren Rat befragt worden sei, worauf Frau Sch. erwidert hat, daß der Gemeindevorstand bisher keine Kenntnis von der Existenz der Antifa gehabt hätte. Herr v. A. hat das wohlwollend entgegengenommen u. die Erwartung ausgedrückt, daß man in Zukunft die Antifa gebührend beachten werde. Er hat dann weiter erklärt, er werde sofort nach Ribnitz fahren u. dort darlegen, welcher Unsinn es sei, Flüchtlinge nach Ahrenshoop zu bringen, er werde aber auch dafür sorgen, daß nunmehr ein Typhus=Krankenhaus eingerichtet u. eine Entlausungsanstalt aufgemacht würde. Er ist dann zu Herrn Schröter gegangen, um ihm dasselbe zu erzählen. Dieser scheint sich diesmal geschickt benommen zu haben. Er hat Herrn v. A. mit der ihm eigenen höflichen Art angehört u. zu allem Ja gesagt, dann aber zu Frau Schuster geäußert, daß er sich um die Herren nicht weiter kümmern wolle. – Die ganze Geschichte ist typisch. „Antifa“ u. „Stützpunktleiter“ das alles sind Worte u. Einrichtungen, die dem Arsenal der NSDAP. entnommen sind. Der Herr Stützpunktleiter selbst hat offenbar nicht den Mut gehabt, zu mir selbst zu kommen, sondern er geht erst einmal zu einer Angestellten in deren Privatwohnung, u. dann erst ins Amt zu Herrn Schröter. Und wer hat diese Leute eingesetzt u. ihnen ihre Befugnisse erteilt? Kein Mensch weiß das. Sie behaupten einfach, diese Befugnisse zu haben u. die Kreisbehörde, oder wer es sonst sein mag, ist zu feige, um dem Bürgermeister dergleichen mitzuteilen. Es ist gut, daß mir meine mangelhafte Gesundheit einen schönen Anlaß zum Rücktritt gibt, denn sonst würde ich denselben wegen dieses Anlasses erklären müssen.

     Soeben war Frau Sch. hier mit Unterschriften. Sie hat eben einen Anruf von Ribnitz bekommen, daß wir heute 200 Flüchtlinge hierher bekämen. Stroh u. Kartoffeln könnten höchstens in 4 Wochen geliefert werden, aber bis dahin seien die Flüchtlinge, wie der Ribnitzer Anrufer sagte, „hoffentlich verhungert“. Die Flüchtlinge befinden, sich in Müritz-Graal in Quarantäne, sodaß sie wenigstens seuchenfrei zu sein scheinen. – Gleichzeitig teilt der Bäcker mit, daß er nicht in der Lage wäre, in der nächsten Woche Brot zu backen, weil die Russen dauernd Brot bei ihm geholt hätten. Ich habe Frau Sch. gesagt, daß sie sofort Herrn v. A. benachrichtigen solle. Er kann nun ja zeigen, was er kann. – Wir sollen die Flüchtlinge selbst von Müritz abholen, haben aber nur zwei Gespanne, das von Paetow u. das von Brandt. Es ist also unmöglich. – Wir treiben einer Katastrophe unerhörten Ausmaßes zu. –

     Gestern Abend brachte mir Frau Sch. noch die „Tägliche Rundschau“, diese in Berlin unter russischer Leitung erscheinenden Zeitung. Auf der Titelseite befinden sich Bilder eines 20 mtr. hohen Monumentes, auf dem ein Rotarmist aus Bronze steht. Dieses von den Russen im Tiergarten zu Berlin errichtete Monument soll der Ehre der im Kampf um Berlin gefallenen russischen Soldaten dienen, ist aber in Wahrheit nichts anderes als ein die Ehre Deutschlands unerhört verletzendes Schandmahl. Dergleichen haben ja nicht einmal die Nazis getan. Dazu erscheint ein die ganze Titelseite einnehmender Artikel, dessen Urheber wohl, wie ich annehmen will, der russische Schriftleiter selber ist, denn wenn ein Deutscher das geschrieben haben sollte, wäre die Gesinnungslosigkeit einfach schamlos. Es ist da von dem „Großen Stalin“ dauernd die Rede, wobei das große „S“

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-11-20. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-11-19_002.jpg&oldid=- (Version vom 26.8.2024)