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Seite:HansBrassTagebuch 1946-01-11 001.jpg

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das Kopftuch nicht weiß lassen konnte, wenn es nicht ein Negerkopf werden sollte. Also mußte ich das Kopftuch dunkel machen. Aber wie? Grau wäre zu eintönig gewesen u. ich dachte an Rot; aber das wäre eine Farbe gewesen, die von den Malern des 19. Jahrh. für solche Zwecke schon totgehetzt worden ist. Gelb u. Braun wären zu langweilig gewesen, da der Kopf schon stark gelb u. braun ist. Blau wäre zu hintergründig. Es blieb mir Grün, vielleicht Violett, letzteres ebenfalls zu hintergründig. Also Grün? Das erforderte einen ganz anderen Hintergrund. Ich grübelte u. bekam Angst, daß ich dieses Bild nicht malen könnte. Schließlich nahm ich meine Zuflucht zu einem inbrünstigen Gebet, das wohl eine Stunde dauerte. Während dieses Gebetes wurde mir alles klar: Kopftuch grün u. Hintergrund blaugrau, aber links ein fahles Gelb das sich schmal über das Kopftuch hinzieht u. rechts, ebenfalls am Rande des Kopftuches, in ein brandiges Rot ausläuft. – Ich habe heute alles so gemalt u. denke, daß es gut wird. Ich bin erst um 4 Uhr früh zum Schlafen gekommen.

     Wir haben dauernd mildes Wetter. Heute u. gestern heizte ich erst um 3 Uhr Nachmittags u. komme so mit einer einzigen Kanne Koks aus für den ganzen Tag.

     Da Martha u. ich jetzt nur noch die Lebensmittelkarte für Angestellte haben, kommen wir nicht mit dem Brot aus. Der Kulturbund hat mir mitgeteilt, daß ich Anspruch auf die Arbeiter-Lebensmittelkarte hätte. Diese Mitteilung habe ich heute Herrn Degner mitgegeben, der bei mir war, um die Hinterlassenschaft des im Sommer verstorbenen Röpke zu übernehmen, die immer noch bei mir stand. – Herr Schröter ist vom Landrat als Bürgermeister bestätigt worden.

     Eben kommt Martha sehr aufgeregt. Anneliese hat geschrieben, daß ein entlassener Kriegsgefangener sich gemeldet hat, der angibt, mit Kurt zusammen in Gefangenschaft gewesen zu sein. Alle Gefangenen sind nach der Ukraine transportiert worden zur Arbeit. Der Gewährsmann ist dann entlassen worden, weil er einen steifen Arm hat u. nicht arbeiten kann. Wenn Kurt also wirklich dort ist, muß er auch gesund sein. – Wer hätte das noch gedacht? Anneliese hatte die Hoffnung nie aufgegeben; aber ich habe nicht mehr an eine Rückkehr geglaubt. – Hoffentlich kommt er als ein Anderer wieder, als er war!

Freitag, 11. Jan. 1946.     

     Gestern kam auch ein Brief von Herbert Stuffer, der in Baden-Baden in der französischen Zone wohnt u. – wie er schreibt, – sehr gute Beziehungen zu den französischen Behörden hat. Ich werde ihn fragen, ob er in der Lage ist, etwas für Fritz zu tun.

     Mein Bild macht sehr langsam Fortschritte. Es ist sehr schwierig, jedoch nicht so, daß ich mich festarbeite, wie das früher in solchen Fällen die Regel war. Ich hoffe, daß ich das Gesicht morgen wenigstens prinzipiell fertig machen kann.

     Martha hat sich heute abend ins Bett gelegt. Sie hat Halsschmerzen u. 38° Temperatur. Da Frl. v. Tigerström bei uns ist, hat diese ihr einen Halsumschlag gemacht u. ihr eine Tablette gegeben. Als ich ihr eben Gute Nacht sagte, war sie sehr heiß. Hoffentlich wird es nichts Schlimmes.

Sonnabend, 12. Jan. 1946.     

     Martha heute früh 37,3°, heute Mittag 38,2°. Ich habe Frl. v. Tigerström nach Wustrow geschickt zu Dr. Meyer, da die Leitung nach Wustrow wieder einmal gestört ist, sodaß eine Telephon-Verbindung nicht möglich ist.

     Vormittags gemalt. Der Kopf ist überaus schwierig, aber es geht langsam vorwärts, ohne daß besondere Probleme der Komposition auftauchen.

     Abends: Dr. Meyer war leider bei einer Aerztebesprechung

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1946-01-10. , 1946, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-01-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 12.10.2024)