Man müßte ihn dazu bringen, freiwillig auf dieses eingebildete Glück zu verzichten, u. indem man dieses Glückstreben ganz u. ausschließlich auf Gott u. das Jenreits richtet, doch sehe ich nicht, wie das erreicht werden könnte.
Das Narzissenbild ist nicht leicht. Es geht nur langsam damit voran. Gestern u. heute habe ich nur an dem Tisch gemalt, auf dem die Vase steht u. an der Vase selbst, aber ich bin noch nicht zufrieden.
Gestern zeigte ich Fritz sämtliche Bilder, die ich seit 1944 gemalt habe u. von denen er ja noch keines gesehen hatte. Sie machten starken Eindruck auf ihn. Es war natürlich zu viel u. zu neu, als daß er eine richtige Stellung dazu finden konnte, – das muß erst nach u. nach kommen. Ich möchte, daß er einige der Bilder photographiert, damit ich damit etwas machen kann. Ich denke daran, Redslob zu interessieren u. dazu brauche ich Fotos.
Gestern Nachmittag fand die Trauung der Erna von Frau Longard u. ihres Bräutigams statt. Wir hatten das ganze Haus, vor allem aber den Altarraum sehr schön mit Blumen geschmückt. Es gab Tulpen aus unserm Garten, Goldlack u. Flieder aus Althagen, wo er bereits anfängt, zu blühen. Maiglöckchen u. wilde Kirsche aus unserem Garten.
Um 6 Uhr traf pünktlich P. Beckmann ein. Er hatte Vormittags in Dierhagen u. dann in Wustrow Gottesdienst gehalten. Es ist immer erstaunlich, was dieser keineswegs sehr kräftige Mann leistet. Erna wurde derweil im kleinen Hause mit weißem Schleier u. Myrtenkranz versehen. Sie trug ein schwarzes Kleid u. sah sehr hübsch aus. Dann wurde das junge Paar unter Vorantritt blumenstreuender Kinder ins große Haus geleitet. Sie empfingen erst in der „Sakristei“, d.h. in Marthas Schlafstube, den nötigen Brautunterricht u. legten dann nacheinander die Beichte ab. Nach der Beichte sangen wir. „Fest soll mein Taufbund immer stehen. Es war überaus voll, sodaß die Tür offen stehen bleiben mußte. Unter den Gästen war auch Frau Graeff, eine abgestandene Katholikin, die seit vielen Jahren keiner hl. Messe mehr beigewohnt hat u. die Nazi gewesen war. – Dann begann das hl. Hochamt, zu dessen Eingang wir „Lobe den Herrn“ sangen. Wir haben überhaupt viel gesungen, zum Offertorium, zum Sanktus u. zur Kommunion, zum Schluß: „Lobt froh den Herrn“.
P. Beckmann vollzog die Trauung sehr feierlich, zuerst mit einer kurzen Ansprache, sodann sprach er alle Gebete in deutscher Sprache, was sehr schön war. Daran schloß sich dann das feierliche Hochamt. Obwohl P. Beckm. sehr ermüdet war u. er nur eine ganz kurze Predigt hielt, war doch alles besonders schön. Es schien mir, als ob er die liturgischen Texte viel besser sprach, bzw. sang, als wir es sonst bei ihm gewöhnt waren. Alle waren in sehr gehobener Stimmung. Als alles vorbei war, sprach ich Frau Graeff an u. drückte ihr meine Freude aus, daß sie unseren Gottesdienst besucht hatte u. sprach die Hoffnung aus, daß es nicht das letzte Mal gewesen sein möge. Sie war darüber arg verlegen.
Nach dem Hochamt ließen wir P. Beckm. etwas Zeit zur Erholung in meinem Zimmer in dem bequemen Sessel, aber dann mußten wir bald zu Frau Longard, wo wir ein bescheidenes, aber gutes Abendbrot aßen mit Kartoffelsalat u. Preßwurst aus einer Büchse, anschießend Kaffee, in dem Bohnenkaffee enthalten war u. sehr viel
Hans Brass: TBHB 1946-05-17. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-05-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.11.2024)