Kuchen mit einer falschen Schlagsahne. Der Tisch war mit bescheidenen Mitteln sehr hübsch gedeckt u. Frau Longard machte in ihrer überaus liebenswürdigen Art die unterhaltende Wirtin. Es gab zum Schluß sogar ein Gläschen Schnaps, den wir freilich aus Eierbechern trinken mußten, da Frau L. nicht so viele Gläser besaß. Wir waren acht Personen. Um 11 Uhr gingen wir wieder nach hause. Ich war sehr müde, konnte aber gleichwohl nicht schlafen infolge des Bohnenkaffees.
Heute früh um 8 Uhr hatten wir noch eine hl. Messe. Wir frühstückten dann mit P. Beckmann. Martha zeigte ihm dann die Bunte Stube u. vor allem die Rosenkränze, die Frau Degner gemacht hat als Muster. Wir besprachen die Möglichkeiten. P. Beckmann pflichtete meiner Ansicht bei, daß diese Rosenkränze vom Pfarramt gekauft u. bezahlt werden müßten, damit wir vom Erlös die Flüchtlinge bezahlen können, die diese Sachen machen, während das Pfarramt die Rosenkränze zu einem wesentlich billigeren Preis weitergeben soll. Auf diese Art würde das Pfarramt praktische Flüchtlingsfürsorge ausüben. P. Beckmann wird heute Abend nach Berlin fahren u. er wird dort versuchen Kruzifixe für diese Rosenkränze zu bekommen. – Er ging dann noch zu Triebsch u. wird von dort nach Ribnitz zurückfahren. Ich sprach auch mit ihm über Triebsch u. wir kamen überein, nach Pfingsten an irgend einem besonderen Festtage die Taufe vorzunehmen. Ich bin der Meinung, daß es bei Triebsch nicht so sehr darauf ankommt, daß er alle dogmat. Glaubenswahrheiten beherrscht, als darauf, daß er endlich zum Empfang der Sakramente kommt. Pater Beckmann pflichtete, dem bei u. er wird versuchen, in diesem Sinne mit Triebsch zu reden.
Gestern das kleine Bild mit den gelben Narzissen fertig gemalt. Es ist sehr abstrakt, jedoch hat man doch noch den Eindruck eines Tisches, auf dem eine Vase mit gelben Blumengebilden steht, nur daß es Narzissen sind erkennt man nicht mehr. Es ist aber sehr durchgearbeitet, der Hintergrund geht ganz in der Komposition auf. Auch farbig ist es sehr warm in gelben u. rotbraunen Tonen.
Ich versehe meine Zeichnungen, die nun alle in Passepartouts sind, mit farbigen, schmalen Leisten als Rähmchen an der Innenkante der Passepartouts, wie ich es bei Koch-Gotha gesehen habe, wodurch die Zeichnungen ein sehr schönes Ansehen bekommen. Ich werde diese Zeichnungen im Sommer in der BuStu. ausstellen, nachdem nun wirklich feststeht, daß Ahrenshoop Kurort für Künstler u. andere Kulturschaffende werden soll. Es heißt, daß die ersten Gäste ab 1. Juni erwartet werden sollen, u. zwar auch aus den westlichen Zonen. Die Sache wird anscheinend groß aufgezogen. Es ist sogar ein Kurdirektor eingesetzt worden in Person des Herrn Michelsen aus Ribnitz, eines sehr sympatischen Mannes, der bereits hier ist u. im Kurhause wohnt. Das Kurhaus ist ganz gerüstet, Gretl Neumann hat alles sehr geschickt u. energisch betrieben, sie hat sogar eine Kuh angeschafft. Ich habe mit Fritz die Möglichkeiten besprochen, in der BuStu. geeignete Wandflächen zu schaffen, um Zeichnungen aufhängen zu können. Bilder will ich dann nur im Atelier zeigen nach vorheriger Anmeldung solchen Leuten, die sich besonders interessieren. Ich verspreche mir davon sehr viel in ideeller Beziehung, da ich annehme, daß auch viele Schriftsteller u. Kunstverständige Kritiker herkommen werden. Ich entgehe auf diese Art dem sonst üblichen Ausstellungsbetrieb u. dem dummen
Hans Brass: TBHB 1946-05-20. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-05-22_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.11.2024)