Magistrats durch die russ. Zone, um Waren für Berlin heranzuschaffen u. natürlich auch für sich selbst. Er hatte einen sehr sympatischen älteren Herrn als Einkäufer bei sich u. ein junges Mädchen, die die Schwägerin des Inhabers der Zigarettenfabrik Garbatti sein soll, ein Mädchen mit rot lackierten Fingernägeln. Dazu noch einen Chauffeur. Alle aßen bei uns ihr mitgebrachtes Essen, sahen sich dann die BuStu. an u. Herr Sorg, der sehr entzückt von dem gepflegten Eindruck war, den das Geschäft macht, versprach Ware zu liefern. Martha brachte dann die ganze Gesellschaft im Kurhause unter.
Vormittags am neuen Bild gemalt, dann die Bilderrahmen angestrichen, was rascher ging als ich gedacht hatte u. nicht übermäßig viel Farbe gekostet hat.
Abends besuchte uns Inge, Gretes Tochter. Sie hat furchtbar viel durchgemacht u. ist auch heute nur durch äußerste Anstrengung in der Lage, sich u. ihre Töchter durchzubringen. Sie ist für eine Woche hier aus Berlin. Es ist ja überaus bedauerlich, wie es ihr ergangen ist u. immer noch ergeht; aber als sie das letzte Mal hier war im Jahre 1944, da waren wir noch die armen Irren, die in aussichtsloser Verkalkung nicht in der Lage waren, die herrlichen Vorzüge des Nationalsozialismus zu begreifen u. den geliebten Führer zu würdigen. Inzwischen haben sich die Dinge eben geändert.
Heute war das Haus erfüllt von herrlichen Kuchendüften, die aus der Küche kamen wo die gute Trude eifrig die Vorbereitungen zu Marthas Geburtstag traf.
Herr Sorg ist mit seinem Anhang heute Vormittag wieder abgefahren, nachdem er im Kurhause wohl recht viel Geld ausgegeben hat.
Das Wetter ist wieder schön geworden, die Sommergäste haben sich vermehrt u. sollen morgen in größeren Massen herantransportiert werden.
P. Beckmann schreibt, daß er am Mittwoch Nachmittag um 6 Uhr bei uns das hl. Meßopfer feiern wird.
Morgens früh bauten Fritz u. ich mit Trude, die heute schon um 1/2 7 Uhr hier war, den Geburtstagstisch im Seezimmer auf: die große, gerahmte Zeichnung des Christkönigs, recht u. links davor Vasen mit Rotdorn, in der Mitte davon ein kleines gerahmtes Foto von Fritz u. ein Inselbuch: „Marienbilder“ von Inge Meisner. Rechts an der Wand stand noch ein Tisch mit zwei Obsttorten, die Trude gemacht hatte, eine Schüssel mit prachtvollem Räucheraal von Dades u. sonst noch Haushaltsgegenstände wie ein Kochtopf, Siebe usw., die wir grade eben vom Wirtschaftsamt in Rostock zum Verkauf bekommen hatten u. die Fritz aus Rostock mitgebracht hatte. Der Frühstückstisch war hübsch gedeckt u. mit Rotdorn-Blüten belegt. Es gab Bohnenkaffee, Butter von Dades u. für jeden ein Ei, sowie Gebäck, ebenfalls von Trude hergestellt. Wir frühstückten in aller Gemächlichkeit u. waren alle in bester Stimmung.
Mittags gab es einen vorzüglichen Makkaroni-Auflauf mit Tomatensoße. Um 2 Uhr war große Kaffeetafel mit abermals zwei verschiedenen Kuchen, sehr reichlich, sodaß davon übrig blieb obgleich wir 24 Personen waren. Von Freunden waren Frau Grantz, Frau Meisner, Frau Schönherr da, sonst alle Angestellten u. die Schneiderin Frl. Schwerdtfeger. Auch der junge Herr Schwerdtfeger war da, sowie Frl. Nicksadt, die beide von Rostock auf Pfingstferien hier sind.
Hans Brass: TBHB 1946-06-06. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-06-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2024)