Die Angestellten hatten allerhand sehr nette Arbeiten gefertigt, ein Teewärmer, ein amüsantes Schwein als Nadelkissen u. a. m. Es war alles in der BuStu. sehr hübsch aufgebaut mit vielen Blumen. Am Schluß des Kaffees hielt ich eine kleine Ansprache. – Es ist alles in allem genommen in diesem Jahre doch schon sehr viel besser als im vorigen Jahre, wo wir diesen Geburtstag fast garnicht feierten u. froh waren, wenn uns die Kosaken in Ruhe ließen.
Abends aßen wir Räucheraal mit Bratkartoffeln, wozu wir Frl. v. Tigerström einluden, nachher waren wir drei im Seezimmer u. aßen von der vorzüglichen Torte u. gingen dann früh schlafen.
Das Wetter war schön, aber am Nachmittag tat sich Ostwind auf, der abends nach Norden herumging, wodurch es recht kalt wurde.
In der Nacht zog ein schwächeres Gewitter vorüber, heute früh um 7 Uhr ein sehr starkes. Beide Gewitter erfaßten uns nicht, aber seitdem ist es sehr kalt u. stürmisch geworden u. recht unerfreulich. Die Andacht war schwach besucht. Herr Nickstadt verabschiedete sich nach der Andacht, weil er eine Stellung als Schiffsbau-Ingenieur in Warnemünde erhalten hat. So sehr es mich freut, daß er endlich eine Stellung gefunden hat u. er auf diese Weise nun befreit ist aus der unerfreulichen Lage, in der er sich hier befand, seitdem er auf seiner Flucht aus Breslau hier bei seinem Schwiegervater gelandet war, so tut es mir doch sehr leid, diesen sehr angenehmen Menschen zu verlieren. Es ergab sich von selbst, daß ich ihm nach der Andacht einige meiner Bilder zeigte. Auch seine Tochter Brigitte wird nun kaum noch oft hierher kommen. –
Nachmittags 1/2 6 Uhr hielt Pfr. Pleß aus Prerow Gottesdienst in der Schule bei nicht übermäßiger Beteiligung der Bevölkerung. Das religiöse Leben im Orte ist überaus dürftig. Heute am Pfingstsonntag war kein einziger männlicher Ahrenshooper dort. Außer mir selbst war nur Herr Gläser, u. Onkel Fritz, der Bruder des verstorbenen Kurhauswirtes Neumann, sowie der Lehrer Deutschmann da. Auch der neue Lehrer, der jetzt für Deutschmann eingesetzt ist, war nicht anwesend. Ebenso waren die anwesenden Frauen fast durchweg Flüchtlinge oder Villenbesitzer, unter ihnen Frau Kleinberg, die einen wahrhaft bejammernswert verhungerten Eindruck machte. Pfr. Pleß sprach inhaltlich nicht grade sehr gut, aber sehr herzlich. Er ist ein vorzüglicher Mann. Ich begrüßte ihn nach der Andacht u. wir verabredeten, daß er beim nächsten Male in 3 Wochen zu uns kommen will.
Der Regen hat am Nachmittag aufgehört, aber es ist recht kalt. – Uebrigens war auch noch Herr Brandt im Gottesdienst. Er ist regelmäßiger Besucher, was nicht hindert, daß er sonst ein großer Schieber ist. – Frau Langner=Richter spielte Harmonium u. konnte es nicht unterlassen, am Schluß mit kleinen Schulmädchen sehr schlecht weltliche Maienlieder vorzutragen.
Von dem Kulturbund-Abend, der gestern im Baltischen Hof stattfand, habe ich mich gedrückt. Fritz war da u. erzählt, das Dr. Burgartz sich bei seiner Ansprache ziemlich blamiert hat. Er ist kein Redner u. hat sich total verwirren lassen.
Heute Vormittag am Interieur gemalt. Mittags ließ sich ein Prof. Lindt aus Königsberg, Maler, u. seine Frau melden. Das Ehepaar wohnt in Schwerin u. ist dort in einer einzigen Stube untergebracht, die zum Schlafen, Wohnen, Essen u. Arbeiten
Hans Brass: TBHB 1946-06-08. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-06-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2024)