ganz vorzüglich für solch kleine, intime Veranstaltungen, man sollte im nächsten Jahre dergleichen oft wiederholen. Schade war nur, daß die Zuhörer sehr wenig ausgesuchte Menschen waren, es wäre sehr viel schöner gewesen, wenn da nur Leute gewesen wären, die mehr Verständnis mitgebracht hätten.
In der Deutschen Rundschau, Heft 3 ds. Jahres steht ein Artikel: „Ein Dichter sieht die Nazis“. Dieser Dichter ist ein Amerikaner Louis Bromfield u. es wird von ihm gesagt, daß er die Deutschen nicht liebe u. daß er grade darum den Aufstieg Hitlers richtig gesehen habe. Er erklärt ihn mit dem Minderwertigkeits-Komplex der Deutschen, permutiert in den Willen zur Macht. Ueber marschierende S.A. in München sagt er sehr treffend: „Eine erschreckende Sache: das völlige Aufgehen des Individuums in eine Maschine, aus dem Verlangen dieses Individuums entsprungen, sich vollkommen aufsaugen zu lassen, die eigene Identität restlos an die Maschine zu verlieren, der Wille nur ein Rädchen im Räderwerk zu sein.“ Das ist überaus richtig. Vor Jahren sah ich in Berlin eine Abteilung Hitlerjugend durch die Straßen marschieren u. der letzte Junge trug um den Ellbogen des linken Armes ein Schlußzeichen wie ein Auto. – Der Amerikaner sagt: „Es ist da etwas im deutschen Wesen, das eine ekstatische Steigerung im Selbstmord findet“.
Vormittags besah ich mir Alfred Rethels Totentanz aus dem Jahre 1848. Auf dem dritten Blatt, wo der Tot eine Tabakpfeife gegen eine Krone abwiegt, findet sich eine alte Frau, die mit ihrem Enkelkinde die Scene verläßt. Diese Figur fiel mir stark auf u. ich versuchte, daraus ein Bild zu machen. Ich glaube, es kann etwas werden; damit hätte ich dann wohl einen neuen Weg gefunden.
Gestern soll, wie ich höre, der alte Bauer Paetow verstorben sein u. ebenfalls die alte Frau Meier, die früher hier bei uns gewohnt hat. Sie war im Krankenhause in Wustrow. Gestern wurde auch der junge Steinke begraben, der in der vorigen Woche in der Ostsee beim Fischen ertrunken ist u. nun angeschwemmt wurde.
Gestern Abend waren wir bei Justus Schmitt, wo mir außer den sehr anregenden Gesprächen, die ich von ihm gewohnt bin u. erwarte, der seltene Genuß von Zigaretten geboten wurde. Er drehte sie selbst aus freilich sehr schlechtem Tabak, aber das ist heute schon egal. Während wir uns unterhielten, trafen Petersen's aus Berlin ein, die im Kurhause Quartier haben. Sie begrüßten uns im Vorbeigehen. Herr P. kam dann noch einmal zurück u. berichtete über Verhandlungen, die er mit Rosen in Bln. wegen Ausstellung meiner Bilder geführt hat u. die negativ verlaufen sind. P. sagte, daß Rosen ein ganz unangenehmer Geschäftemacher ohne jedes
Hans Brass: TBHB 1946-08-20. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-08-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2024)