vorwärts wird noch wesentlich verstärkt durch den vorausweisenden Zeigefinger der Alten. Das Bild drückt also wohl eine Flucht aus Enge u. Gefahr, aber zugleich den festen Willen zur Eroberung einer neuen Zukunft aus u. im weiteren Sinne drückt es den Marsch der Jugend in eine neue Zukunft aus, jedoch unter Führung u. im Geiste der Alten, die den Weg weist u. die Jugend dahin drängt. Man müßte dieses Bild lieber „Jugend u. Alter“ nennen, oder „der neuen Zukunft entgegen“, oder ähnlich. Auf jeden Fall ist dieses Bild sehr dramatisch u. eindrucksvoll.
Nachmittags besahen sich Herr Voßwinkel u. Frau meine Bilder.
Seit gestern Abend ist Vera Wendt Tochter von Hans Wendt, in unserem Hause zu Gast. Sie ist 17 Jahre, sehr groß, sonst aber nicht weiter bemerkenswert.
Konow hat schon drei Bilderkisten fertig.
Vormittags eine Studie von Frau Dr. Petersen gezeichnet. Nachmittags waren die beiden Petersen's nochmals da, um die Bilder zu sehen. Mit ihnen war Ilse Schuster da, die momentan aus Magdeburg hier ist, sowie Marthas Nichte Vera Wendt. Auch Frau Carmen Grantz kam dazu. Herr Dr. Petersen war sehr erfreut über die Bildnisstudie, die ich ihm schenkte in der Hoffnung, daß er mir dafür amerikanische Cigaretten geben wird, von denen er anscheinend einige besitzt. Ich zeigte heute zum ersten Male mit den Bildern auch die Kreide Zeichnung zu dem künftigen Bilde, das ich vielleicht am besten mit „Aufbruch“ benennen kann. Es war interessant, diese Zeichnung im Rahmen der Bilder zu sehen, die jetzt alle mit einem Male alt wirkten. Dieses Bild wird wirklich etwas ganz Neues, als ob sich eine neue Tür geöffnet hätte. –
Nachmittags bei Knecht Versammlung der Künstler, an der auch Venzmer teilnahm. Es wurde allerhand besprochen u. positive Ergebnisse erzielt. Abends verabschiedeten sich Petersens ganz kurz.
Ich las abends eine politische Rede Dr. Schumachers vom 17. März 1946 in Nürnberg, die in einer Zeitschrift abgedruckt war („Die Gefährten“ 1946/1.) Gott sei Dank, daß mir dieses Blatt in die Hände kam, diese Rede gab mir wieder Mut u. Zuversicht. Ich quäle mich seit langem mit meiner Unklarheit, was ich bei der Wahl zu tun habe. Zwar gibt es hier nur eine Wahlliste, u. diese ist unpolitisch. Da sie aber von der SED. aufgestellt ist, wird sie eben dennoch als SED=Liste betrachtet, obgleich nur vier Parteimitglieder darin stehen. Wird sie also gewählt – u. sie muß gewählt werden, so ist das eben eine Entscheidung für die SED. Soll ich sie also wählen, oder soll ich einen ungültigen Zettel abgeben als Protest? Ich war schon so weit, mich zur Wahl zu entschließen; aber diese Rede Dr. Schumachers hat mir Klarheit gebracht. Ich
Hans Brass: TBHB 1946-08-28. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-08-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.11.2024)