Die Wahlen, die letzten Sonntag i. Prov. Sachsen u. Thüringen stattfanden, haben einen ganz wackeren Widerstand gegen die SED. ergeben, die, so weit ich gesehen habe, nirgends die absolute Mehrheit errungen hat gegen die beiden anderen Parteien. Dieses Ergebnis ist sehr hoffnungsvoll. Wenn man, was wohl richtig sein dürfte, die vielen ungültig abgegebenen Stimmzettel diesen beiden Parteien zurechnet, oder sie wenigstens als Protest wertet gegen die SED., dann ergibt sich schon ein ganz gutes Bild.
Heute wieder gut gemalt. Das Bild wird sehr gut werden. Mittags besuchte mich Tommy Abeking, der diesen Besuch niemals unterläßt, wenn er hierher kommt. Er sieht gut aus, hat die Kampftage in Berlin gut überstanden u. hat überhaupt nichts von all den grauenvollen Dingen erlebt, von denen so viele andere berichten. Er hat die besten Erfahrungen mit den russischen Panzer=Offizieren gemacht, die sich tadellos benommen haben. Es ist nichts von all dem geschehen, was man sonst hört. – Es geht ihm auch beruflich gut, er wird jetzt die Lizenz für einen Verlag für Lehrmittel erhalten, was ja seine Spezialität ist. Er sah gepflegt u. wohl aus u. so sympatisch wie imer. Merkwürdig ist das, wenn man seine Schwester kennt, die eine vollendete Dirne ist. – Er übergab mir nicht ohne Stolz einen Artikel im Tagesspiegel, den er über moderne Kunst geschrieben hat u. der wirklich sehr gut ist. – Ich zeigte ihm meine Bilder, die großen Eindruck machten.
Am Nachmittag waren wieder Rechtsanw. Hoffmann u. unser Professor bei uns. Herr Hoffmann hatte Thee mitgebracht. Sehr lebhafte Unterhaltung über Politik u. deutschen Militarismus, dieser Wurzel allen deutschen Uebels. Nachher zeigte ich den Herren meine Bilder, die allermals eine sehr lebhafte Diskussion hervorriefen. Die Herren gingen erst um 7 Uhr fort.
Unser Professor klagte heute sehr, daß er im Kurhause nicht satt würde u. wohl deshalb nicht hier bleiben könne. Wir boten ihm daher an, bei uns nach der Frühmesse einen Teller Roggenschrotsuppe zu essen, da diese so wie so für alle unsere Angestellten jeden Morgen gekocht wird. Außerdem soll er jeden Nachmittag bei uns Kaffee trinken u. eine Schnitte Brot essen. Er nahm das Anerbieten dankbar an, sodaß er heute schon bei uns frühstückte. Zur stillen Messe war heute auch das Ehepaar Degner zugegen.
Nachmittags war ein Dichter mit seiner Frau bei mir, zum Bilder besehen. Die Leute sind aus Warnemünde u. entsetzlich sentimental u. unbedeutend, aber gute Katholiken. Sie waren am letzten Sonntag auch bei uns zur hl. Messe. Morgen fahren sie nach Warnemünde zurück.
Abends war Hoffmann bei uns, der ebenfalls morgen nach Bln. zurück fährt. H. ist ein Mann, den man auf die Dauer nicht ohne Widerspruch ertragen kann, aber er ist ein überaus gutmütiger u. charakterlich anständiger Kerl. Er will sich im Kulturamt in Zehlendorf, zu dem er sehr gute Beziehungen zu haben scheint, für mich, bzw. für eine Ausstellung meiner Bilder bemühen.
Hans Brass: TBHB 1946-09-11. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-09-12_001.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2024)