Mecklenburg-Vorpommern hat den Vogel abgeschossen, es sind rund 70% Stimmen für die SED. abgegeben worden. Bezeichnend ist, daß die Städte meist unter 50% geblieben sind, besonders in Schwerin sind die wenigsten Stimmen für die SED; aber auf dem Lande u. in den kleinen Städten, wo man –, wie in Ribnitz, – radikal vorgegangen ist u. die bürgerlichen Parteien kurz vor der Wahl einfach aufgelöst hat –, da ist vorwiegend die SED. gewählt worden. Besonders in den Dörfern gibt es ja auch kaum andere Zeitungen als die SED-Landeszeitung u. den Dorfbewohnern kam es bei der Wahl ja schließlich auch nur auf die Wahl ihrer Gemeindevertretung an, wobei es den Leuten völlig gleich ist, ob sich die Liste nun SED=Liste nannte, oder anders. Andere Listen gab es ja kaum. – Daß Herr Molotow von uns 10 Milliarden Dollar Kriegsentschädigung fordert u. diese jetzt schon aus unserer kümmerlichen Produktion entnimmt, davon verstehen die Leute nichts. Was sind 10 Milliarden Dollar für einen Büdner? Eine Summe, von der er sich überhaupt keinen Begriff machen kann u. die man erst etwas begreift, wenn man bedenkt, daß England sich von Amerika 3,5 Milliarden Dollar geliehen hat, um mit dieser Summe seine ganze, riesige Industrie wieder in Gang zu bringen. – Aber alle Leute finden, daß Rußland unser bester Freund ist, weil die SED es in all ihren Zeitungen sagt, u. weil die anderen nichts dagegen sagen dürfen, wenn sie nicht verhaftet u. verschleppt werden wollen auf Nimmerwiedersehen.
Nachmittags war Herr Emmerich u. seine junge Frau bei mir, um Bilder zu sehen, außerdem zwei Leute aus Schwerin; die Frau (oder Witwe?) eines Augenarztes u. ein Musiker, ein gefälliger, hübscher u. sehr eitler, dummer Mensch. Auch Emmerich u. Frau waren recht langweilig.
Heute war schönes Wetter, sodaß wir auf der Terrasse Kaffee trinken konnten. – Mein Bild geht der Vollendung entgegen, es wird sehr gut. –
Nachmittags für BuStu. Buchungen gemacht.
In der BuStu. lernte ich heute Nachmittag eine Frau Kersten (oder ähnlich) kennen, die aus Schwerin ist u. dem Kulturbunde angehört. Ich sprach mit ihr über meine ev. Ausstellung in Schwerin u. über die Rivalität zwischen Venzmer u. Frau Dr. Riemschneider. Währenddem kam Ehm Welk mit seiner Frau in die BuStu. u. Frau Kersten machte mich bekannt. Ehm Welk meinte, gehört zu haben, daß ich im Oktober in Schwerin ausstellen würde. Wir verabredeten, daß er morgen zu mir kommen würde, die Bilder anzusehen. Ich werde vielleicht ihn veranlassen können, die Sache zu betreiben, da er übermorgen nach Schwerin fahren will. Man müßte mir aber schon einen Lastwagen schicken. – Ehm Welk selbst ist ein sympatischer Mann.
Von Frau Ursula Haeffner vom Landessender Schwerin bekam ich einen Brief, wonach mein „interessantes Manuskript“ immer noch ungesendet
Hans Brass: TBHB 1946-09-17. , 1946, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-09-17_001.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2024)