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Seite:HansBrassTagebuch 1946-10-27 001.jpg

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trat jetzt eine neue Gestalt, – ein rüstiger alter Mann mit freundlichem Lächeln, der auf Brandt zuging. – Darüber erwachte ich.

     Ich weiß nicht, was es mit diesem alten Mann für eine Bewandtnis hat. Ebenso ist mir das Symbol der Stufenleiter nicht klar. Aber Brandt selbst ist klar. Er ist ein „Mann im Kerker“ im wahrsten Sinne. Die Enge Ahrenshoops muß für ihn sehr drückend sein. Dazu kommt, daß er s. Zt. nicht nur verschwiegen hat, PG. gewesen zu sein, sondern daß er sogar 2 x Lebensläufe an die Landräte in Barth u. in Rostock abgegeben hat, in denen er ausdrücklich gesagt hat, nie PG. gewesen zu sein. Ich könnte den Mann damit jederzeit ins Gefängnis bringen. Außerdem ist er der aktive u. energische Mann meines Bildes, der nun im Kerker ohnmächtig sitzt.

     Ich schlief dann wieder ein u. der Traum setzte sich fort, aber wie gesagt, die Fortsetzung hat sich meinem Bewußtsein leider wieder entzogen.

Sonnabend, 26. Oktober 1946.     

     Heute ist mein Bild einen guten Schritt vorwärts gekommen. Endlich sitzt der Kopf richtig im Raum u. auch der Oberkörper geht so. Es beginnt nun das neue Problem, den hellen, nackten Oberkörper aus der Dämmerung des Raumes u. der blauen Hose heraussteigen zu lassen, doch hoffe ich, daß diese Schwierigkeit nicht zu groß wird. Am 10. Oktober habe ich die erste Anlage dieses Bildes gemacht, sodaß ich nun schon 16 Tage daran arbeite, abgesehen von den Vorentwürfen. So lange hat mich schon lange kein Bild mehr aufgehalten.

     Gestern bekamen wir aus Althagen angeblich ein Huhn u. zwei junge Hühner, die wir teuer genug bezahlen mußten. Martha war gestern in Wustrow u. die Frau, die diese Hühner brachte, tat dies in der Dunkelheit. Frl. v. Tigerström hat mich leider nicht benachrichtigt, sondern sie ließ die Frau in den Hühnerstall, wo sie die angeblichen Hühner selbst absetzte. Heute früh stellte ich fest, daß es eine Glucke mit zwei Küken ist, von denen man noch nicht feststellen kann, ob sie einmal Hühner oder Hähne sein werden, falls wir sie überhaupt durch den Winter kriegen.

Sonntag, 27. Oktober 1946     
Christkönigsfest.     

     Gestern schrieb ich Briefe an Dr. Hertwig – Bln-Zehlendorf u. an Manfred Pahl-Rugenstein, ebenfalls Zehlendorf, um beide für eine Ausstellung meiner Bilder in Zehlendorf im „Haus am Waldsee“ zu interessieren. Heute schrieb ich an Prof. Resch vom Kulturbund Berlin wegen der s. Zt. von ihm geplanten Ausstellung u. ferner an Ilse Langner, um durch sie vielleicht die Berliner Presse für meine Schweriner Ausstellung zu interessieren. Auch Prof. Resch soll Dr. Adolf Behne dafür interessieren.

     Nachmittags 5 Uhr war Gottesdienst bei sehr geringer Beteiligung. Der alte Sudetenpfarrer ist doch schon sehr taperig, obgleich er erst 63 Jahre alt ist. Er kam zur Messe herein ohne Meßgewand, was er erst

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Hans Brass: TBHB 1946-10-25. , 1946, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-10-27_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.11.2024)