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     Gestern Abend kam Anni's Tochter Gisela aus Görlitz. – Die Lebensmittelknappheit ist in der DDR. doch viel größer, als wir hier in Ost-Berlin ahnen. Gisela erzählt, daß es jetzt zu Weihnachten eine Sonderzuteilung von Lebensmitteln gäbe, die in einem halben Pfund Sauerkraut pro Kopf der Bevölkerung bestehe. Die Knappheit ist so groß, daß sich die Bevölkerung über dieses halbe Pfund Sauerkraut freut. –

     Ich versuche nun, in die Ausgaben etwas Ordnung zu bringen, die Elisab. für die Weihnachtsveranstaltungen im Hs. d. Gesundh. gehabt hat. Geld ist für Elisab. eine schwierige Sache, sie kann da keine Ordnung halten u. sie verplempert viel. Wir sind gestern abend übereingekommen, daß ich vom Jahre 1953 ab die Verwaltung des Geldes übernehmen werde.

Mittwoch, 24. Dez. 52.     

     Elisabeth brachte gestern, als sie aus dem Dienst kam, mit zwei Jungens, Sohn u. Neffe eines Patienten, auf einem Handwagen zwei große Weihnachtsbäume, zwei Betten aus dem Haus der Gesundh. u. die erforderlichen Decken mit. Den einen der Bäume bekam Frau Vogel, unsere Nachbarin. – Ich selbst machte gestern Vormittag die Abrechnung für die beiden Weihnachtsfeiern im Hs. d. Ges. fertig, an der ich bereits vor drei Tagen gearbeitet hatte. Es war mühsam, aber sie stimmt nun bis auf ein paar Mark für kleine Auslagen, für die Belege nicht vorhanden sind.

     Heute früh um 7 Uhr sollten Franz u. Hubert u. Karl-Heinz eintreffen, aber der Zug hat fast drei Stunden Verspätung. Es ist das typisch, man ist nicht in der Lage, zu erreichen, daß die Züge fahrplanmäßig einlaufen. Die Regierung beschäftigt sich jahraus jahrein mit der Ausarbeitung von Plänen, die dann bombastisch verkündet werden, aber die Pläne sind dann nicht einzuhalten. Nachdem es bisher nur sehr knapp Weihnachtsbäume gab, die nur auf Kohlenkarten abgegeben wurden, steht heute früh in der Zeitung, daß große Massen von Weihnachtsbäumen eingetroffen sind, die nun freihändig verkauft werden sollen, um sie los zu werden. Von dem sonst noch so bombastisch versprochenen Geflügel usw. ist selbst heute noch nichts zu sehen, vielleicht kommt es nach dem Fest, wahrscheinlich aber nie. –

     Heute abend werden wir Karpfen essen, Anni hat schließlich irgendwo diese aufgetrieben, aber sie sind tot u. niemand weiß wie lange sie es schon sind. Um sie kochen zu können mußten wir uns von Frau Vogel ein geeignetes Behältnis leihen.

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Hans Brass: TBHB 1952-12-24. , 1952, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1952-12-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.3.2024)