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da mein Vorrat an Leinewand aufgebraucht ist. Für neue Leinewand brauche ich mindestens 20,– M. So sitze ich nun herum und lese Andersen's Märchen u. anderes, aber die tiefe Depression, die ich letzthin hatte, ist vorüber u. das Leben ist daher leichter, vor allem, da auch Elisab. wieder ausgeglichener ist. Ihre Arbeit in Wuhlgarten macht ihr Freude, wenngleich sie auch sehr viel zu tun hat, sich einzuarbeiten. Es werden ziemlich hohe Anforderungen an sie gestellt.

Sonntag, 14. Juni 53.     

     E. ist heute von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends im Bereitschaftsdienst, doch wird sie wohl wenigstens über Mittag nachhause kommen. Ich selbst sitze müßig herum u. weiß nicht, was ich tun soll, da ich auch nichts Lesenswertes zu lesen habe. –

     Gestern Abend war Florian Breuer hier, der sehr hoffnungsvoll war, da er von zwölf Aquarellen, die er bei Schüler hängen hat, vier Aquarelle verkauft hat. Er hatte eine sehr gute Kritik im Tagesspiegel. Das ist natürlich sehr erfreulich u. ich gönne ihm diesen Erfolg von Herzen. Diese Aquarelle sind das Ergebnis seiner vorjährigen Sommerreise u. mit diesem Verkauf hat er nicht nur die Kosten dieser Reise heraus, sondern hat noch etwas verdient. –

     Ich war gestern Nachmittag bei Lowinsky, dem ich ein medizinisches Buch zurückbrachte, das er kürzlich geliefert hatte u. in dem 16 Seiten fehlen. Er zeigte mir einen ganzen Stapel von Büchern bei denen dasselbe der Fall war, alles Produkte der DDR. – Er war vorsichtig hoffnungsvoll wegen des neuen Kurses der Regierung. Er meinte, daß es so wie es bisher war, nicht weiter gehen konnte. Man hat von den Geschäftsleuten verlangt, daß sie am Anfang des Jahres 1953 ihren voraussichtlichen Jahresumsatz berechnen sollten u. daß die dafür ihre Steuern vorausbezahlen sollten. War dann am Jahresende der Umsatz höher, als sie voransberechnet hatten, so mußten sie für diese nachzuzahlende Differenz einen Zuschlag von 25 % bezahlen. An Gewerbesteuer allein muß er monatlich 500,– M. bezahlen. Es ist natürlich unmöglich, daß ein Geschäft das abwerfen kann. Er meint nun, daß es schlimmer nicht mehr werden konnte, daß es nun aber vielleicht etwas besser werden würde, möglicherweise würde endlich der völlige Zusammenbruch erfolgen.

     Ich verpackte gestern die elf Bilder, die ich nach Steglitz geben will, und verschnürte sie. Die Pakete sind aber doch sehr schwer geworden u. ich habe alle Manschetten vor dem Transport.

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Hans Brass: Thim-Sieberg. , 1953, Seite 009. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-06-14_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2024)