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statt. Um 1/2 5 Uhr sammelten sie einzelne Grüppchen mit sehr viel roten Fahnen u. Transparenten hier am Oranienburger Tor, um von hier aus die Friedrichstraße hinaufzuziehen. Pünktlich zur gleichen Zeit verfinsterte sich der Himmel u. es begann ein sehr starkes Gewitter, dessen Wassermassen sich aber leider mehr über Westberlin entluden, wo die Straßenzüge überschwemmt wurden. Hier in Osten beschränkte sich das Unwetter auf einen gehörigen Regen. – Die Demonstranten setzten sich um 5 Uhr in Dreierreihen in Bewegung. Es gab enorm viele rote Fahnen u. Transparente, aber nur magere Beteiligung von Menschen. Zwischen den einzelnen Abteilungen gab es oft sehr große Zwischenräume, trotzdem war der ganze Zug in einer Stunde vorüber. Die Sache war also nicht sehr imponierend. Wenn man sich die Teilnehmer betrachtete, so fand sich, daß kein einziger Arbeiter daran teilnahm, es waren sämtlich u. ausnahmslos Angestellte von Betrieben u. Behörden, Konsum-Angestellte usw., Frauen u. Jugendliche waren in der Mehrzahl, natürlich an der Spitze meist FDJ=Abteilungen. Es war also ein höchst jämmerliches Unternehmen u. so gut wie eine neue Demonstration der Arbeiter, die durch ihr Fernbleiben demonstrierten.

     Elisab. gelang es gestern, ein paar Mark aufzutreiben.

     Ich fuhr vormittags nach der Kastanienallee, um den kleinen Keilrahmen zu kaufen für ein neues Bild, das dem 17. Juni gewidmet sein soll. Im Vorbeifahren sah ich, daß ein sehr großer Teil der bisher an verschiedenen Punkten aktionsbereit eingesetzten schweren Panzer auf dem großen Platz neben dem Nordbahnhof aufgestellt sind. Sie stehen dort in Reih u. Glied, also nicht mehr aktionsbereit. Nur noch an den direkt in den französischen Sektor führenden Straßen stehen hier u. da aktionsbereite Panzer.

     Der Ausnahmezustand ist seit heute weiter gemildert, Ausgehverbot nur noch von 11 Uhr abends bis 3 Uhr morgens.

Montag, 29. Juni 53.     

     Gestern am Sonntag waren wir eingeladen von jener Psychologin, die vor einigen Wochen zweimal bei uns gewesen war, zusammen mit ihrem Freunde Wolf, gleichfalls Psychologe. Die Dame heißt Gottmann. Sie wohnt in Hessenwinkel, ein überaus hübsch am Dämeritzsee an der Strecke nach Erkner gelegener Ort. Man fährt bis Wilhelmshagen, eine Station vor Erkner, und geht von dort etwa 1/2 Stde. zu Fuß. Frau Gottmann bewohnt ein sehr hübsches, gepflegtes, kleines

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Hans Brass: TBHB 1953-06-27. , 1953, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-06-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2024)