meine Aquarelle viel mehr Schwung. Ich könnte mir aber denken, daß man gerade deshalb jenen Aquarellen den Vorzug geben könnte vor den meinen.
Anni ist gestern abend spät mit Gisela aus Brehna zurückgekommen. Brehna selbst ist von der Wetterkatastrophe der letzten beiden Tage unberührt geblieben, aber die Strecke zwischen Leipzig u. Bitterfeld hat sie gesehen u. sie erzählt, daß dort weithin alles unter Wasser steht, die Ernte ist dort total vernichtet. Noch viel schlimmer muß es in Süddeutschland aussehen.
Elisab. ist heute wieder zu Charlotte gefahren, da sie sich vorher schon verabredet hatten, aber E. ist sehr unlustig hingefahren, sie ist doch sehr von Charlotte abgerückt.
Gestern hat es wirklich den ganzen Tag über nicht geregnet, wenigstens nicht bei uns, – in Berlin, so sagt Elisab., die erst heute früh von dort zurückkehrte, hat es gegen Abend wieder sehr stark geregnet. Heute ist es hier windig, die Wolkendecke ist stellenweise, aufgerissen u. es scheint dann u. wann sogar die Sonne.
Gestern Abend ist Barbara eingetroffen, Else holte sie von der Bahn hier in Biesdorf ab. Sie war sehr übermüdet vom evangelischen Kirchentag in Leipzig, an dessen Schlußveranstaltungen sie teilgenommen hat u. der nach ihrem Bericht von rd. 200000 Menschen mehr besucht worden ist, als der letzte evangel. Kirchentag vor einigen Jahren in Berlin. Die Teilnahme an diesem Kirchentag ist natürlich als Demonstration gegen den Kommunismus zu bewerten u. das ist natürlich sehr eindrucksvoll. Die Veranstaltung dieses Kirchentages ist von unserer Regierung nicht gestört worden, im Gegenteil sucht man den Eindruck zu erwecken, als hätte sie diese Veranstaltung in jeder Weise unterstützt, offenbar sah man sich zu dieser Politik gezwungen u. man darf wohl sagen, daß dies nicht gerade ein Zeichen von Stärke ist. Man hat wohl begriffen, daß man diese evangel. Christen ebensowenig hinter sich hat wie die katholischen u. man hat darauf verzichtet, ihnen Hindernisse in den Weg zu legen.
Barbara sieht sehr viel besser aus als früher. Else hat ihr die Brüste wegoperieren lassen, die früher riesige Dimensionen hatten u. überaus auffällig u. entstellend waren. Das ist nun nicht mehr der Fall. Dennoch hat sie eine sehr plumpe Figur, der große Kopf sitzt dicht auf den breiten Schultern u. der Körper ist sehr dick u. plump. Geistig ist sie wie früher sehr infantil, aber ich habe doch den Eindruck, daß es auch damit etwas besser geworden ist. Ihr Infantilismus wird noch betont dadurch, daß sie sächsischen
Hans Brass: TBHB 1954-07-13. , 1954, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1954-07-14_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.9.2024)
