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Es war mein eignes Liebchen süß,
Die dort ein Mann sein Bräutchen hieß;
Dicht hintert'm Ehrenstuhl der Braut,
Da blieb ich stehn, gab keinen Laut.

Es rauscht Musik, — gar still stand ich;
Der Freudenlärm betrübte mich.
Der Bräutgam oft gar zärtlich blickt,
Die Braut erwiedert’s hold, und nickt.

Der Bräutgam füllt den Becher sein,
Und trinkt daraus, und reicht gar fein
Der Braut ihn hin; sie lächelt Dank, —
O Weh! mein rothes Blut sie trank.

Die Braut ein hübsches Aepflein nahm,
Und reicht es hin dem Bräutigam.
Der nahm sein Messer, schnitt hinein, —
O Weh! das war das Herze mein.

Sie äugeln süß, sie äugeln lang,
Der Bräut'gam kühn die Braut umschlang,
Und küßt fie auf die Wangen roth, —
O Weh! mich küßt der kalte Tod.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Gedichte. Maurersche Buchhandlung, Berlin 1822, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Gedichte_1822_011.jpg&oldid=- (Version vom 28.7.2022)