Seite:Internationale Bibliothek (Müller, New York, 1887-1891) Heft 05 Seite 13.jpg

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Gelegenheit gegeben, sich in geistigen Genüssen (den einzigen Genüssen, durch welche sich der Mensch von allen übrigen Thieren mehr als bloss äusserlich und unwesentlich unterscheidet) zu ergehen, was ganz von selbst nach und nach zahllose Kapazitäten auf allen Gebieten des spezielleren Wissens zeitigen muss. Die auszeichnende Bethätigung der Letzteren wird deren höchster Genuss sein; die Kopfarbeit wird mithin in letzter Linie eine freiwillige, gesuchte, weil Genuss bereitende, Angelegenheit; und die Frage nach der Entlohnung für dieselbe kommt sozusagen ganz von selbst in Wegfall.

Bis indessen die kulturelle Entwickelung einen solchen Höhegrad erreicht hat, dürfte sich der geistige Konsum in ganz ähnlicher Weise regeln lassen, wie der materielle. Die organisirten Interessenten setzen sich durch freie Gesellschaftsverträge mit Denen in Verbindung, welche gewillt und geeignet sind, ihren Wünschen und Bedürfnissen in der verlangten Weise entgegen zu kommen. Es lassen sich ja die mannigfaltigsten freien Verbindungen in dieser Hinsicht denken – Verbindungen zu literarischen, sanitären, erziehlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen u. dgl. Zwecken.

Die grösste Sorgfalt wird in der freien Gesellschaft dem Erziehungswesen zugewendet werden oder vielmehr: die frei gewordene Menschheit wird zum ersten Male, seit die Welt steht, der heranwachsenden Jugend in Bezug auf geistige und körperliche Entwickelung rationell unter die Arme greifen und von der bisher üblich gewesenen Dressur zu einer wirklichen Schulung übergehen.

Je ausschliesslicher den Eltern und den Grosseltern, insbesondere den alten Weibern, die Kinder zur ”Erziehung“ preisgegeben sind, desto unwissender sind und bleiben die Letzteren.

Und das ist auch ganz natürlich. So wenig wie jeder Mensch Maler, Architekt, Schuster oder Schneider sein kann, ebenso wenig oder vielmehr noch viel weniger kann jeder Mensch Erzieher sein. Trotzdem hat man es bisher zwar als selbstverständlich angesehen, dass Pferde, Rinder, Esel, Schafe oder Gänse Denen zur Pflege oder ”Zucht“ anvertraut werden müssen, welche etwas davon verstehen; nicht aber sah man ein, dass die Erziehung des Menschen mehr Spezialfähigkeiten bei dem Erzieher zur Voraussetzung haben sollte, als die Zucht von Schafen beim Hirten.

In der freien Gesellschaft wird die Kommune oder unter Umständen etwa ein Verband mehrerer Kommunen sich am besten eignen, das öffentliche und Kulturinteresse durch Indiehandnahme des Erziehungswesens vollkommen zu wahren.

Damit ist dann noch lange nicht gesagt, dass mann überall (wie das beim staatlichen Erziehungswesen der Fall wäre) nach den nämlichen Prinzipien verfahren würde. Ja, es ist nicht einmal nöthig, dass die geographische (örtliche), oder, wie das Ding heute genannt wird, ”politische“ Kommune, die kommunale Erziehungsinstitution zu decken braucht, vielmehr mag es an manchen Plätzen und Distrikten vorkommen, dass Majoritäten und Minoritäten neben einander ihre Erziehungs-Kommunen (unabhängig vom sonstigen Kommune-Begriff) errichten.