Seite:Internationale Bibliothek (Müller, New York, 1887-1891) Heft 05 Seite 15.jpg

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als Haushälterin erschüttert, resp. hinfällig wird. Ferner haben wir gezeigt, dass das Erziehungswesen in einer vernünftigen Gesellschaft nicht mehr ein Nebengeschäft der Mütter bleiben kann. Die Gebundenheit der Frau an Haus und Familie nimmt also nach und nach ein Ende. Das weibliche Geschlecht tritt mit den nämlichen Vorbedingungen, wie das männliche, in das Leben ein; alle Berufssphären stehen ihm offen; nicht auf dem Wege der Verehelichung, wie heute, wird die Frau ihre Daseinszwecke zu erreichen trachten müssen, sondern durch Anschluss an entsprechende produktive, konsumtive u. s. w. Organisationen, je nach physischer Kraft, geistiger Fähigkeit und Neigung.

Es kann in Wahrheit nur einen Grund geben, der etwa Veranlassung bieten könnte, eine Verschiedenheit hinsichtlich der Stellung von Mann und Frau der Gesellschaft gegenüber herauszufinden. Das ist die Gebärung von Kindern nebst den damit zusammenhängenden physischen Nachtheilen für die Frau. Allein auch dieser Grund erweist sich keineswegs als ein solcher, der geeignet ist, die Frau in der freien Gesellschaft geringer zu schätzen, als den Mann.

Die Frau wird vermöge des angedeuteten Umstandes allerdings öfter in den Fall der Arbeitsuntauglichkeit kommen, als der Mann. Soll aber die Frau, weil sie ihrer geschlechtlichen Beschaffenheit halber körperlich mehr Unannehmlichkeiten durchzukosten hat, als der Mann, auch noch zu weiteren Nachtheilen verdammt werden? Nur der Barbarismus unserer Zeit kann darauf mit Ja antworten. In einer anarchistischen (humanitären) Gesellschaft erscheint schon eine solche Frage als lächerlich.

Alle Arbeitsunfähigen werden in der freien Gesellschaft das nämliche Recht auf’s Leben haben, wie die Arbeitsfähigen.

So dürfen wir denn in jeder Beziehung die vollkommene Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Frauen gegenüber den Männern in der anarchistischen Gesellschaft als unzweifelhaft gegeben annehmen.

Und wenn diese vollendete Freiheit resultirt aus dem Aufhören der Familienwirthschaft, aus einer nichtfamiliären Erziehungsmethode und aus der Schadloshaltung der Frau als Gebärerin, so dürfte es ziemlich nahe liegend sein, dass auch für eine Ehe im heutigen Sinne des Wortes keine Nothwendigkeit mehr existirt, weshalb eine Fortdauer derselben kaum für immer anzunehmen ist.

Wie alle Institutionen der Vergangenheit und Gegenwart, so beruht auch die Ehe auf einem Zwangs-Verhältniss. Und wenn man im Stande wäre, die sogenannten ”glücklichen“ und die unglücklichen Ehen statistisch festzustellen, so würde man schaudern vor der Unsumme menschlichen Leidens, das gerade auf dem Gebiete des Ehelebens ertragen wird.

Eine Gesellschaft, wie die von uns erstrebte, kennt aber gar keinen Zwang, mithin auch das Galeerenthum der Ehe nicht. Freie Menschen werden, je nach ihren gegenseitigen Neigungen, geschlechtlich miteinander verkehren – ein Handeln, das allein moralisch und natürlich ist, und gegenüber welchem der Geschlechtsverkehr