Seite:Köster Alterthümer 055.png

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und erhielt hier besonders durch den frommen Abt Adalhard und dessen Bruder Wala seine Erziehung und Ausbildung; unter seinen Lehrern befand sich auch der wegen seiner Kenntniß der hebräischen und griechischen Sprache als ein Wunder der Zeit angesehene Paschasius Radbert. Außer vielen Söhnen vornehmer Franken befanden sich in diesem Kloster eine Menge edler Sachsensöhne, die Kaiser Karl dahin versetzt hatte, und unter diesen munteren Knaben verlebte Ansgar seine Jugendzeit. Wohl konnte er da als ein Knabe unter Knaben mitspielen und scherzen; doch zeigte sich gar bald auch der höhere Zug in seiner Seele und namentlich sind es mehrere merkwürdige Traumgesichte, die uns einen Blick in die rege Einbildungskraft und das weiche, dem Göttlichen zugewandte Herz des Knaben thun lassen. So sah er einst im Traum seine verklärte Mutter, die ihn ermahnte, das Eitle zu fliehen und sich eines ernsten Lebens zu befleißigen. Als er dieser im Traum gehörten Mahnung treulich nachkam, ja schon im 12ten (nach Andern 15ten) Lebensjahre das Mönchsgelübde ablegte, traf die erschütternde Nachricht vom Tode des Kaisers Karl (28. Februar 814) ein, den Ansgar noch kurz vorher in seiner ganzen kaiserlichen Pracht gesehn hatte, und abermals hatte er ein Traumgesicht, in welchem es ihm vorkam, als müsse er eines plötzlichen Todes sterben und als werde seine Seele von dem Apostel Petrus und dem Täufer Johannes zuerst au den Ort der Qual, dann aber in das Lichtreich des Herrn geführt, aus welchem ihm eine Stimme zurief: „Gehe hin und mit der Märtyrerkrone geschmückt wirst du zu mir zurückkehren.“ Von diesem Augenblicke an war seine höchste Sehnsucht, zur Märtyrerkrone zu gelangen; bis in sein Alter hielt er diesen Wunsch fest, wenngleich er vor falscher, Gott versuchender Schwärmerei bewahrt blieb.

Im 20. Lebensjahre wurde Ansgar zum Lehrer und Vorsteher der Klosterschule ernannt, ein Beweis davon, wie sich das Beten und Arbeiten bei ihm verbunden hatte. Doch war ihm von Gott ein anderer Wirkungskreis bestimmt. Schon Karl der Große hatte, um dem Christenthum bei den Sachsen Eingang zu verschaffen, Bisthümer angelegt

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Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 055. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_055.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)