Seite:Köster Alterthümer 072.png

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die Geschichte unserer Kirchspiele. Es ist aber, wie man sieht, nicht ganz vollständig. Denn abgesehen von denjenigen Gemeinden und Gotteshäusern, welche erst nach der Reformation gegründet und erbaut sind, also keine Heiligen-Namen erhalten haben, wie Krautsand, Grasberg, Gnarrenburg und Worpswede, Fintel und Posthausen u. s. w., ferner von solchen Kirchen, welche ursprünglich nur Kapellen einer andern Kirche waren, und meist deren Namen führten, wie Oese, Neuhaus, Basbeck und Ritterhude, so giebt es auch mehrere, deren Schutzpatrone aus Mangel an Urkunden und sonstigen Quellen unbekannt geblieben sind. Auch die Kloster-Kirchen scheinen keinen besonderen Namen geführt zu haben, außer dem des Ordens-Patrons. Uebrigens aber finden sich in diesem Verzeichnisse einige problematische Heiligen-Namen, z. B. der S. Gungerich[1] zu Oerel und S. Ulphardus (Wolfhart?) zu Freiburg; wie es ja bekannt ist, daß in dem Römischen Calender mehrere fingirte Heilige Platz gefunden haben. Auskunft darüber geben vielleicht die Acto Sanctorum. Ein scherzhaftes Mißverständnis erzählt Pratje in Beziehung auf das Kirchensiegel in Kirchwistedt, auf welchem man einen S. Perrucianus zu lesen meinte, während doch der unwissende Siegelstecher nichts anders hat sagen wollen, als: S(igillum) Parrochiatus in Wistede, d. h. Siegel der Pfarre zu Wistedt. Sonst enthält unser Verzeichniß eine stattliche Mannigfaltigkeit von Heiligen; und wenn darunter, nach einem richtigen Gefühle, die biblischen Personen vorherrschen (auch eine Kirche zum heil. Kreuz und zum heil. Geiste findet sich), so kommen doch auch S. Nicolaus, der Patron der Schiffer, S. Georg, der Lindwurmtödter, und S. Dionysius, der Bekehrer Frankreichs, ziemlich oft vor und selbst eine Kirche Aller Heiligen fehlt nicht. Auffallend ist, daß von den Gründern des Christenthums in den Herzogtümern nur drei Kirchen den Namen des St. Willehadus führen, keine den des St. Anscharius.


  1. Vielleicht ist es ein Schreibfehler für Gundericus, ein Heiliger des 6ten Jahrhunderts, welcher als S. Gondry zu Trier verehrt wurde.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 072. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_072.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)