Seite:Köster Alterthümer 098.png

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Herr aus einem Stückchen Holz einen Leisten geschnitzt und denselben als einen Hinweis auf die niedrige Geburt des Erzbischofs mit spöttischen Worten unter den Anwesenden herumgehen lassen, worauf der Betroffene erwiedert, er wolle über diesen Leisten ihnen einen Schuh machen, der sie hart genug drücken werde. Es liegt nahe, daß bei der großen Macht, welche die Stände, und bei dem bedenklichen Einflusse, welchen die benachbarten Fürsten im Stifte ausübten, der Erzbischof sich nach Hülfe umsehen mußte. Er fand sie am nächsten und leichtesten bei dem Herzog Heinrich dem Aelteren von Braunschweig, und auch ohne jene Ungebühr würde er sich um seinen Beistand bemüht haben, der am einfachsten durch Berufung seines Sohnes zum Coadjutor zu erreichen war. Die Individualität des Knaben war ihm gleichgültig, wenn sie ihm überhaupt bekannt war.

Christoph zeigte als Knabe wenig Neigung für den geistlichen Stand. Er war ein kräftiger, mit bedeutenden Anlagen ausgestatteter, Charakter, dem ein stilles heiliges Leben nicht zusagte. Ritterlicher Prunk, Pferde, Waffen und blitzendes Geschmeide beschäftigten die Gedanken des Fürstensohns; ein Leben unter stillen Domherren und finsteren Mönchen war ihm zuwider. Um diese Abneigung zu überwinden, wußte der Vater eine Gelegenheit zu finden, ihm den Glanz geistlicher Würden in besonders blendendem Lichte zu zeigen. Der Cardinal Raymund durchzog damals Deutschland und predigte innere Einigkeit, um alle Kräfte gegen die Türken, den gemeinsamen Feind der Christenheit, verwenden zu können. Zugleich trieb er aber auch einen großen Ablaßhandel, wobei er die reicheren Classen auf eine unerhörte Art brandschatzte. Die vornehmsten Fürsten nahmen ihn als ihres Gleichen auf und überhäuften ihn mit Ehrfurcht und Dienstleistungen. So auch Herzog Heinrich. Der Cardinal wurde nach Wolfenbüttel von ihm eingeladen und mit ausgesuchter Pracht empfangen. Mit Kreuz und Fahnen, mit Processionen und Glockenklang wurde er in die Stadt und in den Dom geleitet. Alles beugte sich vor seiner geistlichen Würde; durch staunende, knieende Menschenhaufen begab er sich in

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Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 098. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_098.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)