Seite:Köster Alterthümer 201.png

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in etwa sieben bis neun Münzen, gleichsam das Pfand, daß nun der Bund echt und gültig ist, besteht. Es sind dies meistens geschichtliche Thaler, alte Wildemannsgulden etc., die später Familienheiligthum werden und welche vielleicht einmal der Sohn und dessen Sohn wieder seiner Gewählten schenkt. Einen schönen Anblick gewährt es dann, wenn ein solches Paar in der mit einem Pferde bespannten „Carriole“, oder beide, auf einem Pferde Freunde besuchen oder sich nach dem Gotteshause begeben, wohin nur das treue Thier die oft grundlosen, gefährlichen Pfade auf Deichen und im Lande sicher führt.

Kommt nun aber die Zeit der Hochzeit selbst, dann werden diese gemüthlichen Stunden von der lauten Geschäftigkeit verdrängt. Schon zwei Tage vor dem Hintritte an den Altar beginnt das „kleine Brotbacken“, wodurch, nachdem bereits Ochsen zum Festschmause geschlachtet und Würste gemacht sind, für Kuchen und Brot gesorgt wird, wobei Gewürz, Corinthen und Rosinen nicht gespart werden und wozu Nachbaren und Gefreundete bereitwillig Butter und Milch spenden. Am Abend kommt die Aussteuer, von vier muthigen Pferden gezogen, in vollem Galopp vor die Hauptthür, wo der Bräutigam, der sie längst erwartete, mit dem Knechte scherzweise um dieselbe zu handeln anfängt, aber gegen eine gereichte Belohnung erhält, was nun in gefüllten Schränken und Koffern, oft mehre Geschlechter hindurch, der Schmuck der Wohndiele ist. Mit dem andern Morgen bricht der Tag des „Brotbackens“ an, der aber nichts als den Namen davon hat und nur dazu bestimmt ist, auf mächtiger Dreschdiele die Tische und einfachen Bänke zu ordnen für die 500–800 Gäste, die die Hochzeitsbitter mit buntbebändertem Stabe und mit schönen Reimen zum „Freitage“, dem hier gewöhnlichen Hochzeitstage, geladen hat. Alt und Jung hat schon vom Beginn der Woche diese Grunde sehnsüchtig erwartet und springt freudig vor die Thür, wenn endlich unter Musik und Schüssen der Bräutigam zu Wagen oder zu Pferde die glückliche Erkorene geholt hat, nicht selten gefolgt von einem jubelnden Haufen der früheren Gespielen und mit ihm herangewachsenen Freunde.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_201.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)