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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1

sei hier die Abhandlung „Wir“ erwähnt, in welcher er die geschlagene Partei gleichsam anatomisch zergliedert und streng kritisirt; von seinen poetischen Schöpfungen ist aus jener Periode nur „Der Reichstagsprofessor“, Posse in einem Akt, anzuführen, die ja auch den Lesern der Monatshefte aus dem Abdruck im Septemberhefte von 1864 bekannt ist. Wie jener Aufsatz gegen die eigene Partei gerichtet war, so verhöhnt diese Posse die Gothaer, die besten, die edelsten Männer des Volkes, wie sie sich selbst nannten. Der feige Berliner Philister, Herr Heuler, der vor jedem Schutzmann in die Ecke kriecht und dafür zu Hause den Tyrannen spielt, der große Staatsmann Professor Duselmann, der sich etwas darauf einbildet, daß er bewußt und unbewußt der Reaktion in die Hände arbeitet, der gegen die, ihm applizirten Fußtritte protestirt und wieder protestirt, im Grund seines Wesens aber ebenso hohl und feig, aber äußerlich gebildeter als Heuler ist, das schnippische und freche Dienstmädchen Hanne (ein wenig zu stark aufgetragen), sind die Hauptträger dieser Posse; die eigentlichen Helden, der demokratische Abgeordnete Oertel und seine Braut, treten ein wenig zu sehr in den Hintergrund. Der Dialog ist gewandt, scharf und voll sprudelnden Witzes, die Handlung natürlich und das Ganze eine Persiflage der damals tonangebenden politischen Kreise. Das Gedicht war ein Labsal und Trost für die zahlreichen Flüchtlinge in der Schweiz, die es Abends in ihren Kneipen lasen und sich über die Flüche und Hiebe freuten, mit welchen der Dichter die erfolgreichen Gegner heimsuchte. Seine Wirkung und sein Geist kann nur richtig gewürdigt werden, wenn man den Zusammenhang mit seiner Zeit im Auge behält.

Nach dem Staatsstreich blieb Solger nicht lange mehr in Zürich. Im Sommer 1852 ging er über Paris nach London, wo er den Winter verbrachte und wenig in deutschen, dagegen desto mehr in den alten, ihm befreundeten englischen Kreisen verkehrte. Dickens, Carlyle und Bulwer, die ihn von seinem ersten Aufenthalte in England her noch kannten und hoch schätzten, suchten ihm durch Empfehlungen die Wege zu ebnen; allein ein Kursus von Vorlesungen, zu denen Dickens selbst mit einlud, hatte trotzdem nicht den gewünschten Erfolg, überhaupt waren die Schwierigkeiten bei dem kolossalen Andrange von Flüchtlingen größer als zu gewöhnlichen Zeiten. So entschloß sich Solger im Frühling


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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1. Verlag von Julius Springer, Berlin 1876, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kapp,_Aus_und_%C3%BCber_Amerika,_Band_1,_S_364.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)