Seite:Lucians Werke 0224.jpg

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Aufmerksamkeiten zu erweisen, und von welchen jeder glückselig war, wenn ich ihm auch nur einen Blick schenkte.

Simylus. Du hast doch wohl nicht, wie Phaon einst aus Chios, die Venus über die Meerenge geführt, und von ihr auf deine Bitte von neuem Jugend, Schönheit und Liebreiz zur Belohnung erhalten?

Polystratus. Auch das nicht: sondern so, wie ich bin, war ich ein Gegenstand ihres Verlangens.

Simylus. Du sprichst in Räthseln.

3. Polystratus. Und doch ist nichts bekannter und häufiger als die Liebe zu reichen und kinderlosen Greisen.

Simylus. Ah, nun verstehe ich, von welcher Art deine Schönheit war: es war die goldene Venus, die dich damit beschenkte.

Polystratus. Glaube mir, mein Simylus, ich hatte von diesen Liebhabern, die mich beinahe anbeteten, keinen kleinen Genuß. Bisweilen that ich spröde, und ließ den Einen oder den Andern gar nicht vor mich kommen. Das machte, daß sie mit einander eiferten, und in dem Bestreben, mir gefällig zu seyn, einander zu überbieten suchten.

Simylus. Und wie verfügtest du am Ende über dein Vermögen?

Polystratus. In’s Gesicht sagte ich jedem Einzelnen von ihnen, daß ich ihn zum Erben einzusetzen gesonnen wäre. Weil nun dieß Jeder glaubte, so waren sie alle nur um so kriechender gegen mich. Ganz anders aber lautete das wirkliche Testament, welches ich hinterließ, und worin ich ihnen nichts als einen tüchtigen Verdruß vermachte.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. Stuttgart: J. B. Metzler, 1827–1832, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0224.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)