Seite:Lucians Werke 0482.jpg

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Zugang ist mühsam, steil und schlüpfrig, so daß Viele, die schon oben zu seyn glaubten, im letzten Augenblicke noch ausglitten und den Berg wieder herabrollten. Im Innern des Tempels sitzt der Gott des Reichthums, mit Gold ganz überdeckt, recht schön und liebreizend anzusehen. Sein Liebhaber, der mit Mühe endlich die Anhöhe erklommen hat, und nun vor dem Eingange steht, hat den Blick unverwandt und wie bezaubert auf das viele Gold gerichtet. Da faßt ihn die Hoffnung, in Gestalt einer schönen Jungfrau in buntem Gewande, bei der Hand, und führt ihn in’s Innere, wo mit jedem Schritte sein Erstaunen wächst. Dort nehmen ihn, während die Hoffnung immer vor ihm hergeht, zwei andere weibliche Wesen in Empfang, die Täuschung und die Knechtschaft, von denen er sodann dem Genius der Mühe übergeben wird. Dieser läßt den Armen sich tüchtig zerarbeiten, und liefert ihn am Ende, wenn er Gesundheit und gute Farbe verloren hat, an das Alter aus, von welchem ihn die Verachtung in Empfang nimmt, um ihn zuletzt zur Verzweiflung zu treiben. Die Hoffnung hat sich inzwischen unsichtbar gemacht, und er selbst, der arme Betrogene, wird, nicht durch das goldene Portal, wo er hereingekommen, sondern durch ein verstecktes Hinterpförtchen hinausgestoßen. Und wie er nun so draußen steht, nackt, mit einem Hängebauche, seine Blöße mit der Linken deckend, und mit der Rechten sich wie ein Rasender an der Kehle packend, kommt ihm die Reue weinend entgegen, um mit ihren unnützen Vorwürfen den Bejammernswerthen vollends zu vernichten.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 482. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0482.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)