Seite:Lucians Werke 0590.jpg

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mit dem Unterschied, daß man im erstern Falle mit um so größrem Verdrusse in der Nähe sieht, was man entbehren muß. Also bloß deswegen, um dem Glücke wenigstens nahe zu kommen (und ich will annehmen, du werdest es wirklich), arbeitest du mit einer Anstrengung, die dich verzehren muß? Bedenkest du nicht, welch ein großer Theil deiner Lebenszeit nun schon zerronnen ist, während freudeleeres[1] Arbeiten, Sorgen und Wachen dich niederdrückte? Und nun willst du, wie du sagst, zum mindesten weitere zwanzig Jahre dich placken, um als achtzigjähriger Greis (und wer verbürgt dir dieses hohe Alter?) unter denen zu seyn, welche jenes hohe Glück – noch nicht gefunden haben? Oder glaubst du etwa der Einzige zu seyn, dem es beschieden ist, an ein Ziel zu gelangen, welchem vor dir schon so viele vortreffliche, und wahrlich noch viel behendere Läufer, als du bist, nachjagten und es gleichwohl nicht erreichten? –

77. Doch es sey, wenn du so willst; ergreife das hohe Gut, und habe es inne ganz und gar; so sehe ich doch für’s Erste nicht, was es für ein Gut seyn soll, das für solche Opfer ein angemessener Ersatz seyn könnte; und zweitens: wie lange meinst du denn, daß du dieses Glückes genießen werdest, wenn du erst als Greis, der für jeglichen Genuß längst abgestumpft ist, und schon, wie man zu sagen pflegt, einen Fuß im Sarge hat, seiner theilhaftig werden sollst? Es mußte denn nur seyn, daß du dich auf ein anderes Leben vorüben wolltest, um, wenn du nun wüßtest, wie man leben soll, in diesem zweiten Leben es um so besser zu haben; was


  1. ἀηδίᾳ nach Pierson’s Vorschlag.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0590.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)