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65. Zweck und Aufgabe der Orchestik ist also, wie gesagt, getreu nachahmende Darstellung, eine Kunst, womit sich auch die Redner und besonders Diejenigen unter ihnen zu beschäftigen haben, welche die sogenannten Declamationen vortragen. Denn auch die Kunst der Letztern findet dann vornehmlich den größten Beifall, wann die vorzuführenden Charaktere gut getroffen sind, und die Worte mit den redenden Personen, seyen es nun Helden, Tyrannenmörder, Bauern oder Bettler, nicht im Widerspruche stehen, sondern an Jedem das Eigenthümliche und Auszeichnende hervorgehoben ist.

66. Noch will ich einer hieher gehörigen Aeußerung erwähnen, welche einst ein anderer Fremder, gleichfalls ein Halbbarbar, gethan. Dieser Mann bemerkte, daß fünf verschiedene Tänzermasken in Bereitschaft lagen; denn eben so viele Rollen hatte das Drama. Und da er nur Einen Tänzer sah, so war er begierig zu erfahren, wo denn die übrigen tanzenden und spielenden Personen wären? Wie man ihm aber sagte, dieser Einzige würde sämmtliche Rollen allein darstellen, rief er dem Künstler zu: „Wie, mein Freund, du hast also mehrere Seelen in diesem deinem Einen Leibe? Das habe ich freilich nicht gewußt.“

67. Nicht uneben nennt man daher in Italien einen solchen Tänzer einen Pantomimen [Einen der Alles nachzuahmen weiß], ein Ausdruck, der diese Leistungen so ziemlich bezeichnet. Der gute Rath, den dort der Dichter[1] seinem


  1. Theognis v. 216. Im Original sind übrigens die Worte des Theognis mit einer ähnlichen Stelle des Pindar (Fragm. ap. Plut.) vermengt.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 893. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0893.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)