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um sich gefügig zu drehen, und wiederum derb und fest aufzutreten, je nachdem es die Rolle erfordert.

78. Daß aber in das Gebiet der Orchestik auch athletische Gesticulationen gehören, und daß der Tänzer die schönen Stellungen benützt, die ein kämpfender Mercur, Pollux oder Hercules darbietet, davon wirst du dich bei näherer Bekanntschaft mit dem ganzen Umfange der mimischen Darstellungen selbst überzeugen.

79. Herodot (I, 8.) ist der Meinung, daß Das, was durch den Sinn des Gesichtes vernommen werde, zuverläßiger sey, als was die Ohren uns überliefern. Die Pantomimik aber ist es, welche beide Sinne beschäftigt. Ihre Wirkung ist so bezaubernd, daß ein Verliebter das Theater als ein vernünftiger Mensch verläßt, wenn er gesehen hat, welch ein trauriges Ende die Raserei der Liebe zu nehmen pflegt; und daß ein Trauernder heiter nach Hause geht, als ob er einen lethäischen Trunk gethan hätte, der, wie der Dichter sagt, ein Mittel ist,

Kummer zu tilgen und Groll, und jeglicher Leiden Gedächtniß.[1]

Ein Beweis, wie sehr solche Darstellungen die Gemüther ansprechen, und wie verständlich sie sind für Jeden der Zuschauer, sind die Thränen, welche vergossen werden, so oft sich eine rührende oder klägliche Scene darbietet. Auch sogar der Bacchische Tanz, der zumal in Ionien und in Pontus so angelegentlich gepflegt wird, übt, wiewohl er nur satyrisch ist,


  1. Odyss. IV, 221.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 899. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0899.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)