Seite:Lucians Werke 0954.jpg

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jedem derselben Das entlehne, was an ihm das vorzüglichste ist.

Polystratus. Und wie willst du Das angehen?

Lycinus. Ich denke, es soll nicht schwer seyn: wir überlassen diese Bilder der Phantasie, und erlauben ihr, dieselben in ihre einzelnen Schönheiten zu zersetzen, und diese wiederum zu einem möglichst harmonischen Ganzen zu verbinden, so daß in dem Mannigfaltigen gleichwohl die Einheit bewahrt bleibe.

Polystratus. Wohlgesprochen! So mache sich denn die Phantasie an das Geschäft. Ich bin doch neugierig zu sehen, wie sie mit diesen Bildern umspringen, und aus so vielen ein Einziges zusammen setzen wird, das durchaus keinen Mißton enthalten soll.

6. Lycinus. Sie wird das neue Bild allmählig vor deinen Augen entstehen lassen. Von der Knidierin entlehnt sie blos den Kopf: den übrigen Körper, da er unbekleidet ist, wird sie nicht gebrauchen können. Die Haare also, die Stirne, die schön geschwungenen Linien der Augenbraunen wird sie so lassen, wie sie Praxiteles gebildet hat: auch das süß Schmachtende des Blickes, die heitere Grazie der Miene soll sie behalten, wie sie dieser Künstler seinem Bilde gegeben. Die Wangen aber und die übrigen Theile des Gesichtes von vorne wird sie von des Alkamenes Venus in den Gärten borgen, eben so die zierlich geformten Hände, und die zarten, schlank und fein auslaufenden Finger. Das Profil, die sanfte Rundung der Wangen, das schöne Ebenmaß der Nase wird die Lemnierin des Phidias, den herrlich geformten Mund und den reizenden Nacken seine Amazone liefern. Die Sosandra des

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 954. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0954.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)