Seite:Lucians Werke 1267.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wegen zu richten. Das Wasser ist aufgegossen. Du sprichst als Klägerin zuerst, Buntfarbige.[1]

20. Stoa. Es entgeht mir durchaus nicht, ihr Richter, daß ich es mit einer Gegnerin von sehr einnehmendem Aeußern zu thun habe; ich sehe, wie ein großer Theil von euch freundliche Blicke ihr zuwirft, während man mein glattgeschorenes Haupt, mein strenges, männliches Gesicht nur mit Widerwillen ansieht. Wenn ihr mit übrigens nur aufmerksam zuhören wollt, so getraue ich mir, euch zu überzeugen, daß meine Sache bei Weitem die bessere ist. Der Gegenstand meiner gegenwärtigen Anklage ist, daß diese so verführerisch herausgeputzte Buhlerin mit ihren verlockenden Blicken meinen ehemaligen Liebhaber Dionysius, diesen sonst so vernünftigen Mann, bethört, und ganz und gar zu sich hingezogen hat. Und so ist denn diese meine Sache ein Gegenstück zu derjenigen, welche so eben zwischen der Academie und der Trunkenheit entschieden worden ist. Erwäget also, ihr Richter, Welches das Bessere sey, mit erdwärts gesenktem Haupte, den Schweinen gleich, sein Leben in Lüsten zu verbringen, ohne je zu großen und würdigen Gesinnungen sich zu erheben, oder, das sinnlich Angenehme dem Guten nachsetzend, freisinnig, wie es Freien geziemt, nach wahrer Weisheit zu streben, und sich nicht vor körperlichem Schmerze als einem unbesiegbaren Uebel zu fürchten, noch auch, gemeinen Sclavenseelen gleich, die Sinnenlust über Alles zu schätzen, und das


  1. Die Stoa pöcile, die bunte Halle, in welcher Zeno und seine Nachfolger lehrten, und von welcher sie den Namen Stoiker erhielten, war eine Gemäldegallerie in Athen.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1267.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)