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6. Daß übrigens die Parasitik nicht bloß ein Inbegriff von Kenntnissen überhaupt, sondern von solchen ist, die in Ausübung zu treten haben, wird dir sogleich einleuchten, denke ich. Bei vielen andern Künsten können die Kenntnisse oft Tage, Monate, Jahre lang ohne Ausübung bleiben, ohne daß darum die Kunst bei Dem, welcher sie besitzt, verloren ginge: die Kenntnisse des Parasiten hingegen, wenn sie nicht jeden Tag in Anwendung kommen, richten, wie mir scheint, nicht nur die Kunst, sondern auch den Künstler selbst zu Grunde.

7. Was endlich das letzte Merkmal „zu einem für das Leben nützlichen Zwecke“ betrifft, so wäre es Unsinn, noch zu fragen, ob es sich auch an der Parasitik finde? Sehe ich doch am ganzen Menschenleben nichts Besseres, als Essen und Trinken, ohne welches ja das Leben nicht einmal möglich ist.

Tychiades. So ist es allerdings.

8. Simon. Die Parasitik ist auch nicht, wie z. B. Schönheit oder Leibesstärke, von der Art, daß man sie nicht sowohl für eine Kunst, als für ein natürliches Vermögen halten müßte.

Tychiades. Auch Das gebe ich dir zu.

Simon. Noch weniger aber ist sie eine Unkunst. Denn die Unkunst bringt nie Etwas gehörig zu Stande. Wage es Einer, ein Fahrzeug durch ein stürmisches Meer zu führen, ohne das Geringste von der Steuermannskunst zu verstehen: glaubst du etwa, er werde wohlbehalten an’s Land kommen?

Tychiades. Keineswegs.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1289.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)