Seite:Lucians Werke 1300.jpg

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zu haben scheinen, und daß ihre Begriffe und Lehrsätze nicht unveränderlich dieselben bleiben könnten, so ließe sich diese Entschuldigung allenfalls annehmen. Allein Wer kann sich gefallen lassen, daß die Philosophie, die doch nothwendig mit sich Eins seyn sollte, nicht Eins ist, und weniger mit sich harmonirt, als eine Anzahl verschieden gestimmter Instrumente? Es gibt mehrere Philosophieen: ja ich sehe, es gibt ihrer unbestimmbar viele. Allein es kann ja nur Eine Philosophie geben, und mehrere können nicht zugleich seyn: also gibt es gar keine.

29. Eben so läugne ich die Existenz einer Rhetorik. Denn wenn über einen Gegenstand Keiner Dasselbe sagt, was der Andere, sondern ein Kampf der entgegengesetztesten Ansichten Statt findet, so ist Dieß der deutlichste Beweis, daß das Ding, von welchem man sich widersprechende Begriffe bildet, gar nicht vorhanden ist. Denn wenn man sich über die Frage, welcher von zwei entgegengesetzten Begriffen einer Sache zukomme, nicht vereinigen kann, so hebt eben Dieß die Wesenheit der fraglichen Sache auf.

30. Mit der Parasitik ist Dieß nicht der Fall. Bei Griechen und Barbaren gibt es nach Wesen und Form nur eine und dieselbe Parasitik, und man findet nicht, daß der Ausdruck: Schmarotzen, von dem Einen oder dem Andern in verschiedenem Sinne gebraucht würde. Eben so wenig wird es Parasiten geben, die, wie Dieß unter den Stoikern und Epicureern der Fall ist, verschiedene Lehrmeinungen hätten; sondern es herrscht unter ihnen durchgängige Uebereinstimmung und Eintracht in Hinsicht auf ihr Verfahren und ihren

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1300.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)