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von dir gegeben, sondern hast diesen zweiten Theil in Vergessenheit gestellt, und nirgends in deinen Gedichten einen Kalchas, Telephus, Polyidus oder Phineus nachgeahmt, welche doch, ohne von den Musen dieses Talent erhalten zu haben, die Zukunft voraussagten, und sich nicht verdrießen ließen, Allen, die sie darum baten, ihre Orakel zu ertheilen.

2. Also trifft dich unvermeidlich von drei Vorwürfen Einer. Entweder hast du – so hart es klingen mag – gelogen, und die Musen haben dir die Gabe, auch das Künftige vorauszusagen, gar nicht versprochen: oder sie haben sie dir versprochen und ertheilt, du aber hast dieses Geschenk aus Mißgunst in deinem Busen verschlossen, ohne den armen Sterblichen etwas davon mitzutheilen: oder du hast zwar wirklich Gesänge dieser Art geschrieben, hast sie hingegen nicht unter die Leute kommen lassen, sondern sparst den Gebrauch derselben auf irgend eine spätere Zeit auf. Den das möchte ich nicht anzunehmen wagen, daß die Musen ihr Versprechen einer gedoppelten Gabe nur zur einen Hälfte erfüllt, zur andern zurückgenommen hätten, da sie doch diese letztere, die Gabe der Weissagung, in jenem Verse zuerst genannt hatten.

3. Wer könnte uns nun hierüber bessere Auskunft ertheilen, als du selbst, Hesiod? Denn wie die Götter „die Geber alles Guten“ sind,[1] so läßt sich auch von Euch, ihren Lieblingen und Schülern, erwarten, daß ihr uns die Wahrheit offenbaret von Allem was ihr wißt, und unsere Zweifel löset.


  1. Hesiod. Theog. v. 46.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1524.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)